Neue Vorwürfe gegen Christian Wulff:Auftritt eines Gezeichneten

Gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff werden neue Vorwürfe laut. Es gibt Hinweise, dass er eine Entscheidung des niedersächsischen Kabinetts im Sinne der Versicherungswirtschaft beeinflusst haben soll. Bei einer Feierstunde in Berlin zeigte er sich erstmals wieder öffentlich.

Jens Schneider, Hamburg

Es war das erste Wiedersehen mit Christian Wulff nach Monaten. Um die Jahreswende war sein Bild jeden Tag in den Zeitungen gewesen; als die Staatsanwaltschaft in Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleitete, gab er sein Amt als Bundespräsident auf. Wulff zog sich in ein Kloster zurück, dann suchte er mit seiner Familie Ruhe in seinem Haus in Großburgwedel.

Christian Wulff

Der frühere Bundespräsident Christian Wulff nahm in Berlin an der Gedenkveranstaltung anlässlich des 68. Jahrestages des gescheiterten Stauffenberg-Attentats gegen Adolf Hitler teil.

(Foto: dapd)

Vergangene Woche zeigte sich der CDU-Politiker zum ersten Mal wieder bei einer offiziellen Veranstaltung in Berlin. Er nahm an der Feierstunde in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand teil, mit der die Regierung an das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 erinnerte. Die Bilder scheinen zu belegen, dass die Wochen bis zum Rücktritt Wulff sehr mitgenommen haben.

Bis heute ist die Frage juristisch nicht beantwortet, ob Wulff gegen Recht und Gesetz verstieß. Dem Rücktritt folgte eine im Einverständnis mit ihm angesetzte Hausdurchsuchung Anfang März. Stundenlang warteten damals Kamerateams vor seinem Haus, am Abend nahmen die Ermittler weiteres Material mit, der Berg der Schriftstücke zu der Affäre um den Politiker und seine Freunde und Bekannten aus der Wirtschaft wuchs weiter. Die Staatsanwaltschaft sprach von Tausenden Dateien. Sie kündigte an, Monate für die Aufarbeitung zu brauchen, bis zum Sommer mindestens.

Untersuchungen dauern an

Ihre Entscheidung wird von vielen Beobachtern mit Ungeduld erwartet, denn sie wird den späteren Blick auf die Affäre stark prägen. Es gibt Unterstützer Wulffs, die erwarten, dass die Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Vorteilsnahme letztlich eingestellt werden. Aber das ist Spekulation, mehr nicht. "Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen", sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft an diesem Montag. Die Prüfungen seien sehr aufwendig, es gebe sehr viel Material und es seien sehr viele Zeugen angehört worden. Es dauere auch keineswegs ungewöhnlich lange: "Das ist ein üblicher Zeitraum." Und zum Begriff Spätsommer sagt der Sprecher, es könne der "Frühherbst" werden, wohl September.

Es dürfte auch schwer sein, einen Abschluss zu finden, wenn ständig neue Vorgänge hinzukommen. Am Freitag offenbarte Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) dem Landtag in einer "Erklärung außerhalb der Tagesordnung" mal wieder eine Begebenheit, von der er selbst erst kurz zuvor erfahren hatte.

Möllring hatte im Januar vor dem Landtag in einer ausgiebigen Fragestunde den früheren Regierungschef Wulff und seine Landesregierung forsch gegen alle Vorwürfe verteidigt. Er hatte Freude daran, die Opposition vorzuführen. Danach aber musste er, nun selbst wenig erfreut, einige Male nachbessern und korrigieren. Am Freitag ging es um den Einsatz des früheren Ministerpräsidenten Wulff für die Versicherungsbranche. Bekannt wurde ein Vorgang aus dem Jahr 2007, rund um die geplante Steuerpflicht für sogenannte Kautions(rück)versicherungen.

Post vom Rückversicherer

Wulff erhielt damals kurz vor einer Sitzung des Bundesrates Post von einem großen Rückversicherungs-Unternehmen. Der Unternehmensvorstand erinnerte Wulff daran, dass der Ministerpräsident ihn bei verschiedenen Gelegenheiten ermuntert habe, "mich an Sie zu wenden, wenn 'Not am Mann' ist". Nun war dieser Fall für ihn eingetreten. Er bat Wulff, sich für sein Anliegen einzusetzen.

Wulff soll Versicherungswirtschaft beguenstigt haben

Wulff könnte die Versicherungswirtschaft weitgehender begünstigt haben, als bislang bekannt.

(Foto: dapd)

Der machte einen Vermerk "Eilt sehr", und am Ende der Woche geschah etwas Ungewöhnliches. Im Bundesrat stimmte Niedersachsen plötzlich anders ab, als es das Kabinett noch vorher beschlossen hatte - und zwar im Sinne der Versicherer. Das passierte, so heißt es heute, auf Initiative des Ministerpräsidenten. All das trug Möllring den staunenden Abgeordneten vor.

Das Anliegen der Versicherer scheiterte damals trotz der Unterstützung aus Niedersachsen. Aber im Landtag wurde am Freitag schnell der Verdacht laut, Wulff könnte die Versicherungswirtschaft begünstigt haben. Sofort erinnerte sich die Opposition daran, dass Wulff einst Urlaub im Ferienhaus eines Versicherungsmanagers gemacht hatte. Und entdeckte Zusammenhänge.

SPD-Fraktionschef Stefan Schostok befand, es gebe einen "engen Zusammenhang zwischen Leistungen und Gegenleistungen". Für ihn stand fest, dass es sich um einen "strafrechtlich relevanten Vorgang" handelte. Schnell kehrte der Landtag zur Aufregung zurück, die ihn während der Affäre oft erfasste. Die CDU konterte, dass wieder versucht werde, Wulffs Leistung mit Unterstellungen und Halbwahrheiten in Misskredit zu bringen.

Der Staatsanwaltschaft ist der Vorgang nicht entgangen. "Wir haben das zur Kenntnis genommen", sagt der Sprecher. Noch sei es für eine Einschätzung zu früh. "Wir sind noch nicht einmal in der Prüfung."

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