Nahostkonflikt:Hoffnung auf Feuerpause erlischt

Die hektische Krisendiplomatie arabischer und westlicher Außenminister hat keinen Erfolg: In Kairo können sich Vertreter von Hamas und Israelis nicht auf eine Waffenruhe einigen. Dabei sah es zuerst danach aus, dass es noch am Dienstagabend zur Feuerpause kommen würde.

Tomas Avenarius, Kairo, und Christian Wernicke

Die Hoffnung auf eine rasche Waffenruhe im Gaza-Konflikt hat sich am Dienstagabend zerschlagen. Nachdem die Hamas einseitig mit der Erklärung vorgeprescht war, wonach dank ägyptischer Vermittlung eine Einigung auf eine Feuerpause im Kampf zwischen Israelis und Palästinensern erzielt worden sei, gab ein anderes Mitglied der Hamas über Twitter später bekannt, die Gewalt werde vorerst nicht enden.

Man werde bei den Gesprächen in Kairo wohl nicht mehr vor diesem Mittwoch einig werden, so Politbüro-Mitglied Isat Rischek. "Bisher gibt es keine Einigung auf ein Abkommen, und es wird auch heute Nacht keine mehr geben. Alle Optionen sind offen. Unser Volk und unser Widerstand sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet", schrieb Rischek. Die Hamas herrscht im Gazastreifen. Israel hatte die Meldungen über eine Feuerpause bisher ohnehin noch nicht bestätigt.

Vorausgegangen war dem Nervenkrieg um eine Feuereinstellung am Dienstag ein diplomatischer Marathon: Mit Nahost-Blitzbesuchen hatten UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und zahlreiche Außenminister westlicher und arabischer Staaten sich in die Gespräche eingeschaltet. Im Laufe des Tages waren zahlreiche Außenminister und UN-Generalsekretär Moon zwischen Kairo und Israel hin- und hergependelt. US-Außenministerin Hillary Clinton brach im Auftrag von Präsident Barack Obama eine gemeinsame Asien-Reise ab und flog in den Nahen Osten, zuerst nach Israel, dann wollte sie nach Kairo.

Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte, sein Land sei zu einer langfristigen Waffenstillstandsvereinbarung mit der Hamas bereit. Ägyptens Staatschef Mohammed Mursi als wichtigster Schlichter zwischen Israelis und Gaza-Bewohnern hatte bereits am Nachmittag gesagt, die Kämpfe würden innerhalb kürzester Zeit enden. Ägypten soll eine mögliche Feuerpause garantieren. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte in der ägyptischen Hauptstadt die Konfliktparteien zur sofortigen Feuereinstellung aufgerufen: "Jede erneute Eskalation gefährdet die gesamte Region."

Flugblätter über Gaza

Als erstes Zeichen der Annäherung hatte Jerusalem am Nachmittag bekannt gegeben, dass man vorläufig auf eine Bodenoffensive in das palästinensische Küstengebiet verzichten werde, um den ägyptischen Waffenstillstands-Bemühungen eine Chance zu geben. Zugleich wurden aber Flugblätter über Gaza abgeworfen. Die Zivilbevölkerung grenznaher Orte wurde darauf aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen und sich in Schulen in Sicherheit zu bringen. Dies löste laut dem Sender al-Dschasira Panik aus.

Israel greift seit vergangenem Mittwoch aus der Luft und von See her Ziele im Gazastreifen an. An die 130 Palästinenser starben. Ein von der Hamas betriebener Sender teilte mit, es seien zwei seiner Kameraleute bei einem israelischen Luftangriff getötet worden, obwohl ihr Wagen als Pressefahrzeug gekennzeichnet gewesen sei. Fünf Israelis kamen bei palästinensischen Angriffen um, einer von ihnen war ein Soldat, der von Splittern getroffen wurde.

Kairo hatte schon früher erfolgreich zwischen Israel und den Palästinensern vermittelt. Eine Außenminister-Delegation der Arabischen Liga unter Leitung ihres Generalsekretärs Nabil al-Arabi war am Nachmittag zudem zu einem Solidaritätsbesuch nach Gaza gereist. Neben dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu nahmen Kollegen aus Ägypten, Tunesien und Saudi-Arabien teil. Sie gerieten mitten in einen israelischen Luftangriff. Die Delegation sollte mit Hamas-Vertretern zusammentreffen, sie verlieh der Organisation damit zusätzliches internationales Gewicht. Der von Israel und dem Westen als Partner anerkannte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hingegen erschien zunehmend als Randfigur.

Mitglieder der Hamas richteten am Dienstag sechs Palästinenser wegen angeblicher Kollaboration mit Israel öffentlich hin.

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