Nach den Revolutionen in der arabischen Welt:Das schwere Erbe der Despoten

Demokratie von null auf hundert - das funktioniert nicht. Dass sich die Umbruchstaaten in der arabischen Welt so schwer tun mit Mitbestimmung und Meinungsvielfalt, liegt nicht an ihren Bürgern. Schuld sind die Hinterlassenschaften der alten Machthaber.

Ein Kommentar von Tomas Avenarius

In den arabischen Staaten wiederholt sich der Aufstand. Kaum ist demokratisch gewählt worden, gehen die Bürger wieder auf die Straßen und fordern eine "zweite Revolution". Derzeit brennt es in Tunesien, Ägypten ist seit Wochen unruhig, die Probleme Libyens bleiben ungelöst.

Die Frustration der Bürger ist gewaltig. Sie sollte aber nicht missverstanden werden als Ausdruck mangelnder Fähigkeit zur Demokratie oder Folge uneindeutiger Wahlergebnisse. Denn eines ist klar: Die Islamisten haben die Parlamente in Tunesien und Ägypten legal erobert.

Was ihnen wenig nützt. Der Grund für die Proteste gegen die neuen Herrscher bleibt, dass der politische Übergang in allen Staaten der Region länger dauern wird, als es der Wähler ertragen kann. Die Hinterlassenschaften der Diktatoren wiegen zu schwer. Die Ökonomien der Autokraten lassen sich ohne soziale Einschnitte nicht reformieren, die Korruption erfasst auch die neuen Machthaber, die Masse des Volks kann keine Abstriche mehr hinnehmen. Wenn es eine zweite Revolution gibt, dann eine Hungerrevolution.

Zudem schwelt der Streit zwischen Islamisten und weltlich Gesinnten weiter. Die Bärtigen sind in den Gefängnissen der alten Regime radikal geworden. Sie haben der Folter widerstanden und wollen nun die Macht nicht teilen - obwohl das die Kernidee der Demokratie ist. Bis die Islamisten das begreifen, wird der Ruf nach der zweiten Revolution erschallen.

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