Militäreinsatz in Mali:Stabilisierung im Treibsand

Mali, Nigeria, Militäreinsatz

Die internationale Gemeinschaft muss sich auf eine lange Phase der Instabilität in Mali einstellen.

(Foto: REUTERS)

Gemeinsam gegen die Islamisten in Mali: Unter dem Jubel der Bevölkerung dringen Truppen aus Frankreich und dem Tschad in den Norden des Landes vor und bekämpfen die Gotteskrieger. Doch damit ist die Krise nicht gelöst: Ein beträchtlicher Teil der Herausforderungen liegt in der Hauptstadt Bamako.

Ein Kommentar von Tobias Zick

Während Truppen aus Frankreich und Tschad weiter in den äußersten Norden Malis vorstoßen, um Islamisten zu bekämpfen, beschossen sich jetzt erneut in der Hauptstadt Bamako einheimische Soldaten gegenseitig. Grünmützen gegen Rotmützen, Gegner des früheren Präsidenten gegen dessen Anhänger. Die Krise im Norden Malis begann 2012 als schwere innenpolitische Krise des ganzen Landes - und diese Krise ist alles andere als gelöst.

Erstaunlicherweise wurde Mali über Jahre als Musterdemokratie auf dem Krisenkontinent Afrika gehandelt. Diese Fassade zersprang in tausend Stücke, als im März 2012 eine Gruppe junger Offiziere den Präsidenten Amadou Toumani Touré stürzte. Was sie trieb, war der Frust über ihre eigene Hilflosigkeit gegenüber Tuareg-Rebellen, die im Norden wüteten, hochgerüstet aus den Arsenalen des gestürzten libyschen Machthabers Gaddafi.

Präsident Touré wurde seit Langem vorgeworfen, mit jenen Drogenschmuggler-Banden gemeinsame Sache zu machen, die teils in Personalunion mit islamistischen Terrorgruppen agieren. Viele Malier halten die Motive hinter dem Putsch auch im Nachhinein für unterstützenswert, den Zeitpunkt aber, kurz vor Ablauf von Tourés Amtszeit, gelinde gesagt für kontraproduktiv. Der Sturz des Präsidenten hat ein Machtvakuum erzeugt, in das die Rebellen, vermeintlich säkulare wie islamistische, erst recht vorstoßen konnten.

Nun, da die Franzosen im Norden vorrücken, gerieren sich abtrünnige Tuareg-Rebellen plötzlich als deren Verbündete im Kampf gegen die Gotteskrieger. Man sollte dabei stets genau im Auge behalten, um wen es sich handelt: in vielen Fällen um Wendehälse; um wüste Krieger, die selbst im vergangenen Frühjahr plündernd in die Städte des Nordens einfielen und jegliche Verhandlungsangebote abschmetterten.

Wer dieser Tage die im Wüstenwind flatternden, von malischen Bürgern im Freudentaumel der Befreiung gehissten französischen Flaggen gesehen hat, könnte der Illusion verfallen, es genüge, jene selbsternannten Gotteskrieger zurückzuschlagen, die den traditionell toleranten Muslimen des Landes ihren Steinzeit-Islam aufdrücken wollten. Das ist in der Tat ein unabdingbarer Schritt - aber eben nur der erste von vielen. Eine politische Lösung wird es nur mit den Tuareg des Nordens geben. Deren Aufstände haben eine lange Vorgeschichte, ihre Forderungen sind teils nachvollziehbar, teils wirklichkeitsfern - und die Legitimität vieler ihrer Anführer als Verhandlungspartner ist höchst fraglich.

Der Übergangs-Premier Django Cissoko hat auf Druck Frankreichs und der EU angekündigt, noch Ende Juli Wahlen abhalten zu lassen. Das ist bitter nötig, denn um das Land zu stabilisieren, braucht es rasch eine handlungsfähige, demokratische legitimierte Regierung. Eine solche kann es wiederum nur geben, wenn auch jene Zehntausende Bewohner des Nordens sich an der Wahl beteiligen, die vor dem Konflikt in die Nachbarländer Mauretanien und Niger geflohen sind. Viele von denen aber trauen sich derzeit noch nicht zurück in ihre Heimat, oder es fehlt ihnen schlicht das Geld für die Rückkehr. Das ist nur ein Dilemma unter vielen.

Die internationale Gemeinschaft darf sich getrost auf eine lange Phase der Instabilität in Mali einstellen. Es gilt, einen sicheren Rahmen für den politischen Wiederaufbauprozess zu schaffen - und dabei den Eindruck einer dauerhaften Besetzung von außen zu vermeiden. Weitere Racheakte der gedemütigten malischen Armee darf es nicht geben. Die Herausforderungen haben mit dem Zurückdrängen der Islamisten erst begonnen - und ein beträchtlicher Teil dieser Herausforderungen liegt, fernab der Islamisten-Gebiete, in der Hauptstadt Bamako.

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