Militäreinsatz im Kongo:Willkommen im Land der Mörderbanden

17.000 UN-Soldaten sind bereits im Kongo stationiert, doch gegen die täglichen Gewaltausbrüche sind sie machtlos.

Michael Bitala

Es genügen die Nachrichten der vergangenen fünf oder sechs Tage. Rund um die Provinzstadt Bunia im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo haben Armeeangehörige eine Meuterei angezettelt und greifen nicht nur ihre Vorgesetzten, sondern auch Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen an.

UN-Soldaten im Kongo

Weitere 800 bis 1500 EU-Soldaten sollen die Wahlen im Kongo absichern.

(Foto: Foto: dpa)

Im selben Landstrich hält eine Miliz 8000 Zivilisten als Geiseln, um sie als lebende Schutzschilde gegen Angreifer einzusetzen.

In der Katanga-Provinz wüten so genannte Mai-Mai-Rebellen und zerstören ungehindert eine Ortschaft nach der anderen.

Und im Kahuzi-Biega-Nationalpark, einem der letzten Refugien der Tieflandgorillas, kämpfen kongolesische Soldaten gegen Hutu-Völkermörder aus Ruanda, die sich dort seit einigen Jahren verschanzt halten.

Ganz zu schweigen von all den anderen Rebellengruppen und Mörderbanden, die in den vergangenen fünf, sechs Tagen nicht von sich reden machten und trotzdem marodieren, und ganz zu schweigen von der alltäglichen Gewalt.

Dutzende Frauen und Kinder werden täglich vergewaltigt und teilweise schwer verstümmelt, allein im Ostkongo gibt es jetzt schon mehr als 40000 Opfer.

Von Frieden im Kongo, wie er seit dem Jahr 2002 zumindest auf dem Papier steht, kann also keine Rede sein, ja nicht einmal von einem Friedensprozess. Dennoch soll dieser nun nach dem Willen der Internationalen Gemeinschaft abgeschlossen werden, und zwar durch Wahlen.

Der erste freie und demokratische Urnengang seit 46 Jahren

Am 18. Juni, so sieht es der aktuelle Zeitplan vor, sollen die Kongolesen über den Präsidenten und das Parlament abstimmen dürfen. Das wäre der erste freie und demokratische Urnengang seit 46 Jahren, genauer gesagt seit dem 25.Mai 1960.

Natürlich sehnen sich die Menschen nach einer solchen Wahl, zumindest diejenigen, die seit Jahren unter dem verheerendsten Krieg der Gegenwart leiden. Egal, ob man sich in der Hauptstadt Kinshasa mit Leuten unterhält, in der Dschungelmetropole Kisangani oder in den Grenzstädten Goma oder Bukavu - überall fordern die Menschen eine Abstimmung.

Lasst uns endlich wählen, heißt es allenthalben, dann wird alles gut, dann ist der Krieg vorbei, dann werden wir nicht mehr von diesen Verbrechern gequält. So als ob man mit dem Fetisch Wahl all die bösen Geister aus dem zentralafrikanischen Riesenreich vertreiben könnte.

Das Fatale aber ist, dass diese Abstimmung die Situation im Kongo höchstwahrscheinlich verschlimmern wird. Derzeit ist durch den Friedensvertrag von 2002 nämlich ein ziemlich gewaltbereites Horrorkabinett an der Macht.

Willkommen im Land der Mörderbanden

Gegen einen von vier Vize-Präsidenten lag lange Zeit ein internationaler Haftbefehl wegen Anstachelung zum Völkermord vor, zwei weitere, beide kongolesische Milizenchefs im Dienste der ehemaligen Kongo-Besatzer Ruanda und Uganda, sind für etliche Kriegsverbrechen verantwortlich.

Jean-Pierre Bemba zum Beispiel ist am Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verklagt worden, seine Truppe soll Pygmäen getötet und gegessen haben.

Und diese untereinander verfeindeten Kriegsherren sollen sich durch eine demokratische Abstimmung von der Macht vertreiben lassen? Noch dazu, wenn sie weder ihre Milizen aufgelöst noch ihre Waffen abgegeben haben?

Jeder, der die Abstimmung verliert, greift wieder zu den Waffen

Und auch Joseph Kabila, der 34 Jahre alte Staatschef, dem die größten Siegchancen nachgesagt werden, wird im Falle einer Niederlage nicht so einfach abtreten. Dafür hat er eine gut ausgerüstete Präsidentengarde in Kinshasa.

Es sieht also alles danach aus, dass diese Wahlen erneut zu Chaos, ja vermutlich sogar zu einer neuen großen Kriegsrunde führen werden. Jeder, der diese Abstimmung verliert, greift höchstwahrscheinlich wieder zu den Waffen.

Dass auch die Vereinten Nationen dem vermeintlichen Friedensprozess nicht trauen, zeigt allein schon die Anfrage an die Europäische Union, Truppen zur Absicherung der Abstimmungen in den Kongo zu schicken.

Doch von ein paar Hundert EU-Soldaten, die den Flughafen von Kinshasa sichern, um westliche Ausländer im Ernstfall auszufliegen, wird sich wahrscheinlich kein Wahlverlierer vom erneuten Waffengang abhalten lassen.

Nicht einmal die fast 17000 Blauhelmsoldaten, die allesamt über ein schlagkräftiges Mandat verfügen, konnten das Morden, Plündern und Vergewaltigen bislang stoppen.

Staatschef Kabila zögert

Deshalb ist es wohl nicht wirklich bedauerlich, dass sich die Wahlvorbereitungen mehr als schleppend hinziehen. Eigentlich hätte die Abstimmung schon im Juni 2005 stattfinden sollen, dann wurden sie für April 2006 angekündigt, nun lautet das Datum 18. Juni.

Doch ob dieser Termin eingehalten wird, ist noch lange nicht sicher, auch wenn der Friedensvertrag eine gewählte Regierung bis zum 30. Juni vorschreibt.

Präsident Kabila, der seit seiner Machtübernahme im Januar 2001 von den Europäern und den USA gestützt wird, hat das Wahlgesetz jedenfalls noch nicht unterzeichnet, auch wenn dies für den Montag vergangener Woche vorgesehen war. Ohne Gesetz aber kann die Wahl nicht vorbereitet werden. Betrachtet man sich das Zögern der EU, eine Eingreiftruppe für den Kongo bereitzustellen, dann handelt der junge Staatschef derzeit durchaus im Sinne der Europäer.

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