Machtwechsel am Persischen Golf:Emir von Katar tritt ab

Mit den enormen Gasvorkommen seines Landes hat er sich international Einfluss verschafft. Er unterstützt Demokratiebewegungen, doch nicht im eigenen Land: Der Emir von Katar. Nun hat Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani die Macht an seinen Sohn Tamim übergeben - ungewöhnlich frühzeitig.

Von Rudolph Chimelli

Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani, hat seinen Rücktritt erklärt und die Macht in die Hände seines 33-jährigen Sohnes Tamim gelegt. "Die Zeit ist gekommen, ein neues Kapitel aufzuschlagen", sagte der 61-jährige Monarch des einflussreichen Golfstaats in einer Fernsehansprache. Er wolle "die Verantwortung an die neue Generation übergeben".

Zuvor war bereits aus Doha berichtet worden, dass am Montag ein Familienrat über die Regelung der Nachfolge bestimmen sollte. Der Emir denke seit einiger Zeit daran, die Führung aus der Hand zu geben, berichtete der Sender al-Dschasira, der dem Herrscherhaus gehört und niemals grundlos Spekulationen über dynastische Vorgänge anstellen würde. "Offenbar hat er sich im bisherigen Verlauf des Jahres darauf vorbereitet, seine Autorität an Tamim zu übertragen." Über seine Gesundheit gibt es keine Angaben, doch führt der Emir ein aktives Leben und scheut Reisen nicht.

Hamad bin Chalifa al-Thani Emir Katar

Frühzeitige Machtübergabe: der Emir von Katar

(Foto: REUTERS)

Gleichzeitig ist auch von der Ablösung von Scheich Hamad bin Dschassim al-Thani, des mächtigen Regierungschefs und Außenministers, die Rede. Er half dem regierenden Herrscher 1995, als dieser in einem unblutigen Staatsstreich seinen Vater absetzte. Der 53 Jahre Scheich ist einer der wichtigsten Akteure der offensiven Außenpolitik des kleinen Landes.

Ungewöhnlich frühzeitige Nachfolgeregelung

Dass sich am Kurs Katars durch die Veränderung an der Spitze nennenswerte Veränderungen ergeben könnten, wird von den in Doha ansässigen Diplomaten nicht erwartet. In den arabischen Golf-Staaten ist eine frühzeitige Regelung der Nachfolge ungewöhnlich.

Das kleine Katar, von dessen knapp zwei Millionen Einwohnern nur etwa 250.000 Staatsbürger sind, hat die drittgrößten Gasvorkommen der Erde genutzt, um sich internationalen Einfluss zu verschaffen. Sein Pro-Kopf-Einkommen ist mit 100.000 Dollar pro Jahr doppelt so hoch wie das der USA.

Katar war das erste arabische Land, das die Rebellen gegen den libyschen Diktator Gaddafi unterstützte. Heute ist es neben Saudi-Arabien die wichtigste Geld- und Nachschubquelle des Aufstands gegen das syrische Regime. Als erster Staatschef besuchte Scheich Hamad im Winter Gaza und gab der herrschenden Hamas-Bewegung eine Finanzhilfe von 400 Millionen Dollar. Islamistische Bewegungen überall können auf die Hilfe Katars rechnen, auch die Rebellen im Norden Malis. Die afghanischen Taliban haben ein Büro in Doha eröffnet.

Mehr Aufsehen erregt der politische Riesenzwerg, wenn er - trotz fehlender Sporttradition - die Fußball-Weltmeisterschaft von 2022 an sich zieht oder sich um die Olympischen Spiele von 2024 bewirbt. Zum Besitz des 100 bis 200 Milliarden Dollar schweren Sovereign Wealth Fund gehören der Fußballklub Paris Saint-Germain, das Londoner Kaufhaus Harrod's, Beteiligungen bei Louis Vuitton, Tiffany, Volkswagen oder Credit Suisse.

Persönlich schützt sich der Emir durch eine Garde von einigen Hundert Mann. Die 10.000 Soldaten der Armee sind überwiegend ausländische Söldner. Eine bessere Sicherheitsgarantie als sie bietet das Vorhandensein der größten US-Militärbasis im Nahen Osten. Zu allen Nachbarn pflegt Katar die besten Beziehungen, als fast einziger arabischer Golfstaat auch zu Iran.

Nahestehende erklären den "Napoleon-Komplex" des Emirs mit den Erfahrungen Kuwaits, das über Nacht vom Irak annektiert wurde. Umgeben von regionalen Großmächten, glaubt Katar, dass Prominenz und die Einbindung ins internationale Kräftespiel Schutz gegen eventuelle Ansprüche Stärkerer bieten könnten.

Demokratieförderung - nur im Ausland

Erst am Wochenende war der amerikanische Außenminister John Kerry zu einer Syrien-Konferenz im Lande. Gleichzeitig schloss der französische Präsident François Hollande Vereinbarungen über katarische Investitionen in Frankreich, die bis zu neun Milliarden Euro umfassen könnten. Ein früherer Anlauf der Kataris, sich finanziell an der Entwicklung vernachlässigter Pariser Vorstädte mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil zu engagieren, scheiterte an einem Aufschrei rechter Franzosen.

Was andere nur leise denken, sagte Syriens Präsident Baschar al-Assad über die Kataris im vergangenen Jahr im Gespräch mit einem ägyptischen Magazin: "Sie sind nach einer langen Zeit der Armut plötzlich reich geworden und glauben, sie können sich mit ihrem Geld Geografie, Geschichte und eine regionale Rolle kaufen."

Als absoluter sunnitischer Monarch fördert der Emir zwar Demokratiebewegungen im Ausland, duldet zu Hause aber keinen Widerspruch. Der Lyriker Mohammed Ibn al-Dheeb wurde im November ohne Angabe von Gründen zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Er hatte Spottverse auf die Herrscherfamilie verfasst und den Emir speziell durch ein Gedicht auf den Arabischen Frühling verärgert.

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