Kultur:Djangos letzter Vorhang

Ein Theaterstück über ein schwules Känguru wühlt Baden-Baden auf. Ist der Kurort ein Hort der Homophobie?

Von Josef Kelnberger

Wenn man auf die Stars des Jahres 2017 zurückblicken wird, dann wird zweifellos auch von einem schwulen Känguru die Rede sein. Das Känguru heißt Django, boxt gern und müffelt deshalb ein wenig. Vor allem aber verkörpert die Figur den gesellschaftlichen Fortschritt in Deutschland. Seit dem Bundestagsbeschluss vom Freitag vergangener Woche darf Django sogar die Homo-Ehe eingehen und Babys adoptieren, die Känguru-Müttern "aus dem Beutel gefallen sind", wie Django diese Woche bei einem viel beachteten Gastspiel bei den Ulmer Theatertagen kundtat. Das Publikum war begeistert. Es handelte sich ausschließlich um Erwachsene, das erzählt einiges über Djangos Karriere.

Django ist "Ein Känguru wie du". So heißt ein Buch des Schriftstellers Ulrich Hub, das Kindern Vorurteile jeglicher Art nehmen will. Tiger und Panther werden da zu Vegetariern, ihr Dompteur springt selbst durch den brennenden Reifen, und am Ende mögen alle das Känguru, das sie zuvor noch "Schwuchtel" schimpften. In der Inszenierung des Theaters Baden- Baden macht die Geschichte nun unverhofft Furore. Die Leute aufzuregen und damit Debatten voranzutreiben, ist der Anspruch eines jeden Theaters. Django aber wurde berühmt, weil das Theater in Baden-Baden leer blieb. Keine Debatten, keine Proteste. Die Schulen schickten keine Schüler. Deshalb soll das Stück in der neuen Spielzeit nicht wieder aufgeführt werden. Ist das katholisch geprägte Baden-Baden also ein homophober Ort?

Der Intendantin Nicola May ist der Aufruhr ein wenig unangenehm. Schließlich kommt es öfter vor, dass ein Theater sich von einem Stück trennen muss, das zwar dem Haus am Herzen liegt, nicht aber dem Publikum. Noch dazu füllen Meldungen das Sommerloch, Djangos Auftritt sei "wegen Protesten der Eltern abgesetzt" worden, was zumindest leicht überzogen ist. Bei den Ulmer Theatertagen interessierten sich darum alle für das Baden-Badener Känguru. Sogar aus dem Ausland wurde May angesprochen auf die Affäre. Alles ein wenig viel. Aber die Intendantin bleibt dabei: Es sei "enttäuschend", wie ihre Stadt mit der Figur des Kängurus umgegangen ist. Weder Lehrer noch Eltern hätten ihr ins Gesicht gesagt, dass sie ihre Kinder nicht mit dem Thema Homosexualität konfrontieren wollen. Sie habe nur indirekt von den Vorbehalten erfahren - "atmosphärisch", wie sie das nennt.

Auch in Baden-Baden gab es Proteste, als die seinerzeit grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs die Akzeptanz "sexueller Vielfalt" als Bildungsziel formulierte. Nicht zuletzt deshalb nahm May das Känguru ins Programm - für Kinder von acht Jahren an, obwohl zweifellos auch Sechsjährige das Stück sittlich verkraften würden. Es wird nicht einmal geknutscht! Doch viel häufiger als bei anderen für Schulen gedachten Aufführungen blieben die 60 Plätze leer, was vermuten lässt: Das Thema wird totgeschwiegen.

Auch nach dem deutschlandweiten Aufflammen der Django-Affäre blieb es in Baden-Baden seltsam still. Für diesen Sonntag hat Nicola May deshalb zu einer szenischen Lesung des Stücks eingeladen, auch der Autor wird dazu erwartet. Schon um das Image der Stadt zu retten, könnte es hinterher ein Happy End für das schwule Känguru geben. Titel: Django unchained.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: