Kroatien in der EU:Schlecht vorbereitet, mäßig froh

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Verhaltener Jubel: Kroaten feiern den EU-Beitritt ihres Landes. (Foto: Bloomberg)

Seit Mitternacht ist Kroatien das 28. Mitglied der EU. Jenseits offizieller Feierlichkeiten ist der Jubel im Land allerdings bestenfalls verhalten. Hauptgrund dafür ist die schlechte wirtschaftliche Lage.

Ein Kommentar von Florian Hassel

Bestenfalls verhalten ist der Jubel, den viele der 4,4 Millionen Kroaten anlässlich des Beitritts ihres Landes zur EU anstimmen. Gewiss, da ist das Gefühl tiefer Befriedigung, endlich in Europa angekommen zu sein, fast zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Kriege im zerfallenden Jugoslawien. Die EU bietet mehr persönliche Freiheit: Kroaten können fortan frei reisen oder umziehen.

Regierung, Bürokratie und Justiz müssen künftig nach den strengeren EU-Regeln spielen. Reformen und Modernisierung stehen erst am Anfang: Viele Kroaten hoffen, dass weiterer Druck aus Brüssel dazu führt, dass die von ihren Parteien betriebene Günstlingswirtschaft und die verbreitete Korruption abnehmen und etwa kroatische Gerichte bald nicht mehr nach Jahren, sondern nach Monaten Urteile fällen.

Die Mitgliedschaft in der EU sorgt in einem Land, das mehrere Jahre Krieg erlebt hat, für mehr Stabilität. Und das nicht nur im Verhältnis zum ebenfalls in die EU strebenden Ex-Kriegsgegner Serbien: Auch Kroatiens Nationalisten wird das Leben in der EU schwerer gemacht.

Dass die Macht der EU begrenzt ist, wenn Regierende tatsächlich entschlossen sind, demokratische Freiheiten und Institutionen abzuschaffen oder einzuschränken, macht gerade die zunehmend autoritär auftretende Regierung Ungarns vor. Auch auf dem westlichen Balkan werden Konflikte mit Zagrebs EU-Beitritt und Belgrads Kurs in Richtung Brüssel zwar schwerer, aber nicht unmöglich. Immer noch ist das größte Post-Jugoslawien-Problem, das kaum funktionsfähige Bosnien-Herzegowina, ungelöst.

Niemand weiß, wie serbische oder kroatische Nationalisten, die Bosnien am liebsten weiter zerteilen würden, vorgehen, wenn das mit dem EU-Beitritt verbundene implizite Versprechen für mehr Wohlstand nicht eingelöst wird und sich die wirtschaftlichen Krisen in ihren Ländern nicht ent-, sondern verschärfen. Von einer Aufarbeitung der Kriegszeit oder eigener Verbrechen ist in Kroatien bisher ebenso wenig die Rede wie in Serbien. Ohne diese Aufarbeitung aber bleiben die ungelösten Probleme auf dem westlichen Balkan durch EU-Beitritte nur übertüncht, nicht bewältigt.

Die seit fünf Jahren andauernde Wirtschaftskrise ist auch der Hauptgrund dafür, dass nur 45 Prozent der Kroaten den EU-Beitritt positiv bewerten. Anders als im Vorkrisen-Europa vor einem Jahrzehnt ist die EU nicht mehr der strahlende Garant für persönlichen und wirtschaftlichen Erfolg.

Abgesehen von seiner weitgehend krisenfesten Tourismusindustrie ist Kroatiens bisher abgeschottete Wirtschaft schlecht auf die EU-Mitgliedschaft vorbereitet. Ob Winzer, Einzelhändler oder mehrere Hunderttausend Bauern - alle haben Angst, von deutlich größeren, leistungsfähigeren und billigeren Konkurrenten aus Deutschland, Österreich oder anderen EU-Ländern überrollt zu werden.

Auch für die veraltete Industrie sieht es düster aus. Der Investitionsboom vergangener Jahre in Zentral- und Osteuropa ist vorbei in einer EU, deren Volkswirtschaften oft selbst kränkeln. Junge Balten konnten den Verhältnissen in ihrer Heimat nach ihrem Beitritt zur EU entfliehen, indem sie in die skandinavischen Länder oder ins damals wirtschaftlich blühende England zogen. Junge Kroaten, die heute zu mehr als der Hälfte in ihrer Heimat keine Arbeit finden, haben es da ungleich schwerer.

Bei aller Skepsis gibt es allerdings auch keine Alternative zur EU-Erweiterung auf dem Balkan. Die Probleme, die Kroatien jetzt, die anderen Länder des westlichen Balkans bald zu lösen haben, entstehen ja nicht durch einen EU-Beitritt, sondern werden dadurch nur stärker ins Rampenlicht gerückt. In diesem Sinn ist es nun an den Kroaten, die 28. Mitgliedschaft der EU zu einer Erfolgsgeschichte zu machen und anderen auf dem Balkan den Weg zu zeigen.

© SZ vom 01.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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