Korruptionsaffären und andere Skandale:Spaniens Institutionen zerlegen sich

Spain's King Juan Carlos speaks to Spain's Prime Minister Mariano Rajoy during a diplomatic reception at the Royal Palace in Madrid

Spaniens Premier Mariano Rajoy (links) und König Juan Carlos bei einem Treffen im Königspalast in Madrid.

(Foto: REUTERS)

König Juan Carlos wirkt wie eine Witzfigur, Regierungschef Rajoy steht unter Korruptionsverdacht, die oppositionellen Sozialisten wegen eigener Skandale unter Beschuss und die Justiz ist nach fragwürdigen Lustreisen diskreditiert. Immer neue Affären erschüttern die Glaubwürdigkeit der Staatsorgane in Spanien.

Von Sebastian Schoepp

Die "Rambla der Blumen" ist ein bei Touristen beliebtes Straßenstück im Herzen von Palma de Mallorca. Seit 1998 heißt sie "Rambla der Herzöge von Palma" - ein Titel, den die Kinder des Königs tragen, nämlich Infantin Cristina und ihr Mann, der Ex-Handballer Iñaki Urdangarin. Doch nun werden die Schilder wieder abmontiert, die Straße erhält ihren alten Namen zurück.

Iñaki Urdangarin ist in Ungnade gefallen, seit er im Zentrum eines der Korruptionsskandale steht, die Spaniens Institutionen bis ins Mark erschüttern. Am Donnerstag entschied ein Gericht, dass Urdangarins Vermögen gepfändet wird, weil er eine geforderte Kaution von 8,1 Millionen Euro nicht bezahlt hat. Urdangarin wird beschuldigt, als Schatzmeister einer gemeinnützigen Einrichtung Millionen Euro aus öffentlichen Kassen in Steuerparadiese verschoben haben.

Der Fall Urdangarin und die groteske Elefantenjagd seines Schwiegervaters Juan Carlos in Afrika im vergangenen Jahr haben Spaniens Königsfamilie von geachteten Grundpfeilern des Staates in Witzfiguren verwandelt. Den Übergang zur Demokratie nach 40 Jahren Diktatur hatte der junge König in den Siebziger- und Achtzigerjahren bravourös gemanagt.

In der derzeitigen Krise, die von vielen schon mit den Jahren der transición verglichen wird, ist der inzwischen greise Juan Carlos I. kaum zu sehen. Dabei würden sich viele Spanier nichts sehnsüchtiger wünschen als eine integre Identifikationsfigur.

Präsident oder Schande

Regierungschef Mariano Rajoy taugt dazu nicht mehr. Seine konservative Volkspartei (PP) ist in einen Korruptionsskandal verwickelt, der alle Medien des Landes füllt. Dass Rajoy am Samstag nur indirekt per Videoschirm vor Journalisten trat, um seine Unschuld zu beteuern, hat auch ihn zur Witzfigur gemacht.

Die viel gelesene Internetzeitung eldiario.es nennt "zehn Gründe, warum man Rajoy nicht glauben kann" - angefangen von seinen gebrochenen Wahlversprechen, etwa die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen, bis hin zu seiner Weigerung zuzugeben, dass Spanien Bankenhilfe der EU braucht.

In sozialen Netzwerken werden Fotos herumgereicht, die zwei Pressekonferenzen zeigen - eine von US-Präsident Barack Obama im Angesicht der fragenden Journalisten; und ein zweites mit Rajoy auf dem Videoschirm. "Das eine ist ein Präsident, das andere ist eine Schande", so der Kommentar.

Immerhin gewinnt die traditionelle Presse, die lange im Verruf stand, nur die Parteien zu bedienen, ihre Bedeutung als Kontrollinstrument zurück. El País deckte den Skandal um die schwarzen Kassen des früheren PP-Schatzmeisters Luis Bárcenas auf, die sonst regierungstreue Zeitung El Mundo sekundierte. 70 Prozent der Parteienspenden, die Bárcenas eintrieb, seien mit dem Gesetz nicht vereinbar, titelte El País. Viel Geld kam von Baulöwen, deren von der Volkspartei befeuerter Größenwahn Spanien in die Immobilienspekulation und damit in den Abgrund riss.

Erosion aller Leitbilder in Spanien

Die Sozialisten fordern Rajoys Rücktritt, was der Premier "nicht konstruktiv" findet. Da auch sie nicht frei von Skandalen sind, wenn auch mehr auf regionaler Ebene, können die Sozialisten von der Erosion der PP nicht profitieren. Der Ärger kanalisiert sich eher im Erstarken der separatistischen Kräfte wie im Baskenland und Katalonien. Doch kommen auch dort schmutzige Details ans Licht, wie etwa Geldwäschevorwürfe gegen den Sohn des früheren katalanischen Regionalpräsidenten Jordi Pujol.

"Überall nichts als Korruption, Korruption in allen Farben, Korruption in allen Ausmaßen", giftet die Zeitung El Periódico de Catalunya. Inzwischen haben mehrere kleinere PP-Chargen ohne Not gestanden, Schwarzgeld erhalten zu haben, was von Beobachtern als Zeichen gewertet wird, dass die in Spanien lange Zeit endemische Korruption allmählich gesellschaftlicher Ächtung anheimfällt.

Eine Internetplattform teilte mit, sie habe binnen einer Woche eine Million Unterschriften für Rajoys Rücktritt gesammelt. Längst wird in sozialen Netzwerken das Gerücht kolportiert, "Technokratenkreise" arbeiteten an einem Sturz des Ministerpräsidenten, um in Spanien ein Monti-Modell nach italienischem Vorbild zu installieren.

Lob aus dem Ausland hilft nicht

Dazu passt das Rumoren der früheren Regionalpräsidentin von Madrid, Esperanza Aguirre, einer marktliberal denkenden Machtpolitikerin, die sich auf wundersame Weise aus den Skandalen herausgehalten hat und nun auffällig laut nach Konsequenzen in ihrer Partei verlangt.

Sie war offiziell vergangenes Jahr "aus gesundheitlichen Gründen" aus ihrem Amt geschieden und arbeitet jetzt als Headhunterin. Aguirre hält sich für "die Beste", wie sie sagte. Sie ist aber in den Augen vieler Spanier nicht die saubere Alternative, sondern auch nur ein Produkt der PP-Parteihierarchie.

Die Justiz ermittelt zwar eifrig gegen Bárcenas und Undagarin. Doch auch sie ist diskreditiert, seit Spanien oberster Richter Carlos Dívar nach fragwürdigen Lustreisen 2012 zurücktreten musste.

Gegen die Erosion aller Leitbilder hilft weder das Lob von EU-Kommissar Olli Rehn, der Spanien Fortschritte bei der Bankenrettung attestiert. Noch haben Angela Merkels Vertrauensbekundungen Rajoys Zustimmungswerte gebessert. Das macht sich an den Märkten bemerkbar, die Zinsen für spanische Staatsanleihen zogen am Donnerstag wieder merklich an.

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