Kommentar:Der kaukasische Todeskreis

Nur wenn Präsident Wladimir Putin die russischen Südrepubliken entwickelt, kann er den Terror eindämmen.

Frank Nienhuysen

Es ist eine makabre Art der russischen Landeskunde, an die sich die Menschen im Westen erst noch gewöhnen müssen: Tschetschenien, Dagestan, Inguschetien, Nordossetien, jetzt Kabardino-Balkarien, und bald schon könnte auch Karatschaj-Tscherkessien auf dem blutigen Lehrplan der islamistischen Terrorschulen stehen. Die territorialen Grenzen im nördlichen, zu Russland gehörigen Kaukasus sind leicht erkennbar, die Grenzen der Gewalt aber sind längst verwischt. Die Entfernungen sind kurz, die Beamten an den Kontrollposten mitunter korrupt, und so kann der um sich greifende Konflikt im russischen Süden nur schwer eingedämmt werden.

Kommentar: Frau mit gefesseltem Verletzten

Frau mit gefesseltem Verletzten

(Foto: Foto: Reuters)

Von einem Flächenbrand zu reden, wäre reichlich verfrüht. Und doch gibt es eine große Zahl islamistischer Zündler, gegen die Moskau mit seiner bisherigen Kaukasus-Politik hilflos ist. Die Allmacht der russischen Staatsgewalt mit ihrer Gier nach Kontrolle über Medien, Parteien, Gouverneure und nationale Ressourcen stößt bei der Befriedung des Kaukasus an ihre Grenze. Selbst der zuständige Kreml-Gesandte räumt inzwischen ein, dass die Vielvölkerregion zu einem Mikrokosmos der Instabilität zu werden droht. Kurzum: Russlands Kaukasus-Politik, mit Tschetschenien als Nukleus, ist gescheitert.

Wer Bomben legt und Geiseln nimmt, muss mit aller Härte bestraft werden, wer könnte Wladimir Putin da widersprechen. Eine vernünftige Strategie aber ist etwas anderes. Wenn die russische Regierung das Land dauerhaft vor Anschlägen schützen will, muss sie die darbende Bergregion langfristig von Armut, Korruption und Nepotismus befreien. Die Gelegenheit, damit zu beginnen, wäre günstig. Wirtschaftswachstum und hohe Einnahmen durch den Öl- und Gasexport fluten die Kassen - aber steigern leider auch die Gelüste nach einer neuen Rolle als Großmacht.

Reichlich Geld strömt in neue Militärprojekte, während im Kaukasus ein ohnehin dünnes Rinnsal einfach versickert. So gibt es selbst im ärmlichen Russland einen Wohlstandsgraben und damit ein stattliches Reservoir von Unzufriedenen, die sich perspektivlos den gewaltbereiten Extremisten anschließen.

Skrupellose Terroristen überziehen die Region mit Gewalt, doch auch die Sicherheitskräfte laden Schuld auf sich. Die Jagd auf Islamisten wird zum Teil mit großer Brutalität geführt, Folter und Erniedrigung gehört offenbar zum Repertoire vieler Polizisten und Soldaten, wodurch das historisch bedingte Misstrauen der Kaukasier gegen Russen weiter wächst. Präsident Putin beschwört nun erneut den Kampf gegen den Terrorismus, doch taugliche Instrumente, um dessen Ursachen zu beseitigen, setzt der Kreml-Chef nicht ein. Nur wenn die Kaukasus-Republiken wirtschaftlich gesunden, die Menschen bessere Perspektiven erhalten und Terrorführern wie Schamil Bassajew der menschliche Nachschub ausgeht, kann der sinnlose Gewaltreigen wirklich beendet werden.

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