Interview zur Konferenz in Genf:"Ahmadinedschad wird das Podium missbrauchen"

Deutschland boykottiert die Antirassismus-Konferenz - Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung findet das richtig.

Barbara Vorsamer

sueddeutsche.de: Wie bewerten Sie die Entscheidung von Deutschland, den USA und anderen westlichen Staaten, nun kurzfristig doch nicht an der Antirassismus-Konferenz teilzunehmen?

Interview zur Konferenz in Genf: Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad während der Konferenz in Genf.

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad während der Konferenz in Genf.

(Foto: Foto: dpa)

Juliane Wetzel: Das ist der richtige Schritt.

sueddeutsche.de: Warum?

Wetzel: Es hat sich herausgestellt, dass die Konferenz - wie schon 2001 in Durban - gegen Israel gerichtet sein wird. Die Arbeit des Vorbereitungskomitees unter libyscher Leitung hat das gezeigt. Für den Westen ist das nicht akzeptabel.

sueddeutsche.de: Nun gibt es einige - unter anderem die Grünen - die einwenden, es sei sinnvoller teilzunehmen, und damit eine antisemitische Schlusserklärung der Konferenz zu verhindern.

Wetzel: Diese Strategie hat der damalige Außenminister Joschka Fischer bei der Antirassismus-Konferenz 2001 angewandt und das war damals richtig. Doch in den vergangenen Jahren hat es eine Entwicklung zu mehr internationalem Antisemitismus gegeben, vor allem durch den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der offen den Holocaust leugnet.

sueddeutsche.de: Und der Westen hat dem nichts entgegenzusetzen?

Wetzel: Deutschland und die anderen westlichen Staaten haben die Konferenz nicht so hochrangig besetzt. Wenn nun Kanzlerin Angela Merkel oder Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Konferenz gefahren wären: Die hätten einem iranischen Präsidenten Paroli bieten können, so wäre eine deutsche Teilnahme vielleicht sinnvoll gewesen. Aber mit Diplomaten aus der zweiten und dritten Reihe nicht.

sueddeutsche.de: Hat sich Deutschland also zu wenig engagiert?

Wetzel: Nein, das würde ich so auf keinen Fall sagen. Die Bundesregierung hat bis zum allerletzten Moment - sie hat erst gestern Abend abgesagt - versucht, die Erklärung zu ändern und gleichzeitig öffentlich über einen Boykott diskutiert.

sueddeutsche.de: Sie haben bereits die erste Antisemitismus-Konferenz 2001 erwähnt. Können Sie kurz erzählen, was damals passiert ist?

Wetzel: Insbesondere die teilnehmenden Nichtregierungsorganisationen, aber auch einzelne Regierungen, haben in Durban gegen Israel gehetzt. Und zwar nicht im Sinne einer legitimen Kritik an der israelischen Regierung, sondern durchaus mit antisemitischen Stereotypen.

Außerdem ist in Durban Israel als einziger Staat als rassistisch bezeichnet worden. Israel ist als besonderer Fall herausgehoben worden. Andere Staaten hingegen, die sich rassistisch verhalten und die Menschenrechte missachten, wurden nicht eigens genannt.

sueddeutsche.de: Und die Gefahr besteht nun, dass sich das in Genf wiederholt?

Wetzel: Genau. Das läuft der Grundidee der Antirassismus-Konferenz völlig zuwider. Rassismus ist ein Phänomen, das wir in der ganzen Welt erleben und der an vielen Orten nicht nur menschenrechtsverletzende Folgen hat, sondern auch in Völkermorde mündet. Auch die Genozide in Ruanda und Darfur gehören dazu, doch diese Themen sind in Durban höchstens am Rande diskutiert worden.

sueddeutsche.de: Für Laien ist es auf den ersten Blick unverständlich, warum gerade der Westen eine Antirassismus-Konferenz boykottiert, wo sich doch eigentlich besonders die Demokratien gegen Rassismus einsetzen sollten. Ist hier nicht etwas verdreht?

Wetzel: Dazu ist es gekommen, weil auf diesen Konferenzen viele arabische und afrikanische Staaten teilnehmen, die immer schon gegen Israel gehetzt haben und die den Antirassismus als ihr Forum missbrauchen. Im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt schlagen diese Staaten in die antisemitische Kerbe anstatt das Vorgehen Israels sachlich zu kritisieren. Offensichtlich ist dem vom Westen nicht deutlich genug widersprochen worden. Das der Antirassismus mit Antisemitismus vermischt wird, ist nicht nur ein internationales Phänomen.

sueddeutsche.de: Sondern?

Wetzel: Es kommt auch bei deutschen Organisationen vor, gerade bei denen, die seit Jahren gegen den Rassismus der Rechtsextremen kämpfen. Im Zusammenhang mit den Konflikten der vergangenen Jahre - Libanon-Krieg 2006, Kämpfe im Gazastreifen - äußern diese Gruppen immer öfter selbst antisemitische Stereotype im Bezug auf Israel.

Israel wird nicht als normaler Staat mit negativen und positiven Aspekten gesehen. Kritik an Israel - auch berechtigte Kritik - wird verpackt in Angriffe auf "die Juden". Damit wird eine gesamte Religionsgemeinschaft verantwortlich gemacht für die Palästinenser-Politik des israelischen Staates. Es kommt sogar zu Holocaust-Vergleichen. Es wird behauptet, was die Israelis mit den Palästinensern machen, sei das Gleiche wie das, was die Deutschen den Juden angetan haben.

sueddeutsche.de: Was erwarten Sie nun von der Antirassismus-Konferenz?

Wetzel: Bestimmte Nichtregierungsorganisationen und Vertreter einiger Regierungen werden wieder wie in Durban versuchen, Zionismus mit Rassismus gleichzusetzen. Der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad wird das Podium missbrauchen, um seine antisemitischen Tiraden loszuwerden.

Dr. Juliane Wetzel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin.

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