Haushaltsstreit in den USA:Obamas unerbittliche Gegner

Members run a gauntlet of reporters as they arrive for a closed-door meeting of the House Republican caucus during a rare Saturday session at the U.S. Capitol in Washington

Showdown der Hardliner: Republikanische Abgeordnete bahnen sich ihren Weg zu einer Fraktionssitzung in den Katakomben des US-Kapitols in Washington am vergangenen Samstag.

(Foto: REUTERS)

Wenige Stunden bleiben Amerikas Politikern, um zu verhindern, dass der Regierung das Geld ausgeht. Die Tea Party ist zum Äußersten bereit, um Obamas verhasste Gesundheitsreform zu torpedieren. Doch auch wenn der Präsident ein Kompromissmensch ist, wird er seinen größten Erfolg nicht opfern. Es wirkt bizarr: Momentan ist es für Obama leichter, mit Iran zu verhandeln als mit den Republikanern.

Ein Kommentar von Nicolas Richter, Washington

Barack Obama hat jüngst sehr unterschiedliche Worte gewählt, um zwei Konflikte zu beschreiben. Zunächst erwähnte er Iran, mit dessen Regime die USA seit 1979 verfeindet sind, und mit dessen Staatschef er am Freitag telefonierte. Als der US-Präsident davon berichtete, benutzte er drei Mal das Wort "Respekt", er bekundete gar "tiefen Respekt" für das iranische Volk. Anschließend erwähnte Obama noch ein paar andere Gegner, die er als Extremisten und Brandstifter bezeichnete. Er meinte nicht Irans Quds-Brigaden, sondern die US-Abgeordneten der rechtspopulistischen Tea Party. "Respekt" sagte er - kein einziges Mal.

Obama fällt es gerade leichter, mit einer Theokratie im Mittleren Osten zu reden als mit Politikern, die nur ein paar Straßen vom Weißen Haus entfernt tagen. Anders als mit seinem iranischen Kollegen Hassan Rohani spricht er mit den Republikanern überhaupt nicht, außer um mitzuteilen, dass es nichts zu verhandeln gebe. Während sich zwischen Iran und den USA also zum ersten Mal seit Jahrzehnten Entspannung anbahnt, könnte Washingtons innenpolitische Krise dazu führen, dass die Regierung aus Geldnot ihren Betrieb einstellen muss.

Obamas Gegner sind sich ähnlich

Noch sind die Lichter nicht ausgegangen, weder in den US-Ministerien, noch in Irans dubiosen Atom-Laboren. Washingtons Politiker könnten sich am Ende zusammenraufen, und der amerikanisch-iranische Frühling könnte mit einer Enttäuschung enden, gar mit Krieg. Im Augenblick aber ist die Dynamik genau gegenläufig: Im Atomstreit gelangen beide Seiten langsam zu der Erkenntnis, dass eine Eskalation keine Vorteile mehr bringt. Im US-Haushaltsstreit geschieht das Gegenteil: Jede Seite rechnet damit, dass mehr Streit nützlich ist, weil er den Gegner am meisten beschädigt.

In gewisser Hinsicht sind sich Obamas Gegner ähnlich: Sie sehen sich als Revolutionäre und definieren sich durch den Widerstand gegen eine größere Macht. Irans Religiöse haben einst einen Herrscher verjagt, den die USA eingesetzt hatten; sie sehen ihr System als Gegenentwurf zu dem der Amerikaner. Irans oberster Führer Ali Chamenei hat lange dafür geworben, "auch den letzten Faden nach Amerika zu durchtrennen". Als revolutionär sieht sich auch die Tea-Party. Sie ist entstanden aus dem Widerstand gegen Obamas Gesundheitsreform, gegen einen Staat, den sie nicht als fürsorglich empfindet, sondern als wuchernd und bevormundend. Die Tea Party predigt schrankenlose Freiheit und ein minimalistisches Staatswesen. Ihre Aktivisten sind insoweit verfassungstreu, als sie sich demokratisch wählen lassen, aber sie missachten den Geist der Verfassung, indem sie jeden Kompromiss als Verrat schmähen.

Tea Party erpresst Obama

Sowohl "die Mullahs" in Iran als auch Amerikas Rechtspopulisten werden zuweilen als Verrückte oder Außerirdische beschrieben. In Wahrheit handeln sie relativ rational im Sinne ihrer Überzeugungen und Interessen. Iran ist erschöpft von jahrelangen Sanktionen, das Regime sieht in Obama mittlerweile wohl einen Gesprächspartner, mit dem es gesichtswahrend einen Ausgleich finden könnte, ohne das Ende der Revolution ausrufen zu müssen. Die Tea Party hingegen sieht ihre Revolution erst am Anfang. Angetrieben von ihrer energischen Basis kontrolliert sie die Fraktion der Republikaner im Unterhaus und versucht, Obama zu erpressen: Nimmt er seine Gesundheitsreform nicht zurück, verweigert sie ihm im Parlament eben ein Budget. Das ist so, als würde ein Kaufinteressent ein Haus abbrennen, weil er sich mit dem Verkäufer nicht auf einen Preis einigen konnte.

Obama ist ein Kompromissmensch, der Gegnern oft weit entgegenkommt. Seine Gesundheitsreform aber wird er nicht opfern: Die allgemeine Krankenversicherung ist sein größter innenpolitischer Erfolg, er wird sie nicht herschenken für Widersacher, die nicht nur seine Politik, sondern auch seine persönliche Integrität in Frage stellen. Anders als im Verhältnis zu Rohani ist dieser Konflikt nicht nur ideologisch, sondern persönlich. Obama kann nur hoffen, dass sich nach einer Regierungspleite die öffentliche Meinung gegen die Rechten wendet, nicht gegen ihn.

Letztlich wird der Ausgang beider Konflikte davon abhängen, wie viel Gewinn Obama seinen Gegnern in Aussicht stellen kann. Sollte sich Teheran im Atomstreit mit dem Westen einigen, könnte das Regime sein Überleben sichern, indem es sich von den Sanktionen befreit und damit das Land beruhigt. Die rechten US-Abgeordneten kalkulieren anders: Sie tragen keine Verantwortung für ein großes, darbendes Volk. In ihren rechten Wahlkreisen sind sie unangefochten, und je sturer sie bleiben, desto unangefochtener sind sie. Gegner, die nichts verlieren können, sind die unerbittlichsten.

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