Hans-Peter Friedrich und die Bundespolizei:Fahrlässige Gleichgültigkeit der Politik

Der Eklat um die Ablösung der Führungsspitze der Bundespolizei lenkt den Blick auf eine Institution, die dringend der Aufmerksamkeit bedarf. Die Stimmung in der Behörde und ihr Ansehen sind miserabel. Wer aber trägt Schuld daran?

Susanne Höll

Der Chef der Bundespolizei, Matthias Seeger, erhält an diesem Montag seine Entlassungspapiere. So will es Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), und der Eklat lenkt den Blick auf eine Institution, die dringend der Aufmerksamkeit bedarf.

Die Stimmung unter den 40.000 Beamten ist ebenso miserabel wie das Ansehen der Behörde in den Augen mancher vergleichsweise privilegierter Kollegen des Bundeskriminalamts oder der Länderpolizeien. Seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs sucht ein Bundesinnenminister nach dem anderen vergeblich nach einer Aufgabe für die ehemaligen bundesdeutschen Grenzschützer. Am Ende wurde die Bundespolizei zu einer Notfall-Reserve von Bund und Ländern heruntergewirtschaftet.

Häufig schlecht bezahlte Beamte bewachen Flughäfen und Bahnhöfe, sichern NPD-Demonstrationen und Fußballspiele. Sie sorgen dafür, dass die Castor-Züge an ihr Ziel kommen und sind maßgeblich verantwortlich für die Verbrechensbekämpfung an den deutschen Außengrenzen. Sie müssen darauf gefasst sein, an einem freien Wochenende fern der Heimat im Einsatz zu sein, weil die Länderpolizeien sparen und sich immer öfter die Kollegen der Bundespolizei ausleihen.

Eine Studie aus dem Jahr 2010 zeigt, was die Beamten selbst immer wieder beklagen: Die Moral dieser Truppe ist am Boden, die Arbeitsbelastung der Beamten hat zumindest im mittleren Dienst die Grenzen der Zumutbarkeit überschritten. Man vermag nicht zu sagen, was erstaunlicher ist: die fahrlässige Gleichgültigkeit der Politik - oder die Tatsache, dass sich noch immer junge Männer und Frauen finden, die für wenig Geld und wenig Anerkennung notfalls ihr Leben riskieren.

Man wüsste schon gern, was vorgefallen ist

Wer aber trägt nun Schuld an diesen beklagenswerten Zuständen? Einer jedenfalls nicht: Bundespolizei-Chef Seeger. Mag sein, dass er bei Auftritten ungeschickt agierte und Vorgesetzte gegen sich aufbrachte. Eine Affäre aber hat er sich erkennbar nicht zu Schulden kommen lassen. Weder wurden im Bundespolizeipräsidium Akten geschreddert, so wie beim Verfassungsschutz, noch wurde ein Großeinsatz in den Sand gesetzt. Auch hat Seeger keine Teppiche von Ministern an den Behörden vorbei nach Deutschland gebracht.

Jeder Spitzenbeamte kann ohne Angaben von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Geht es um Sicherheitsbehörden, wüsste man schon gern, was vorgefallen ist, zumal wenn gleich drei Spitzenleute gehen müssen. Wenn Minister Friedrich unzufrieden ist mit der Arbeit der Bundespolizei, dann sollte er nicht den Chef auswechseln, sondern das vielbeklagte Nebeneinander der deutschen Sicherheitsbehörden beseitigen: dieses war bekanntlich mitverantwortlich dafür, dass zehn Menschen von Rechtsextremen ermordet werden konnten.

Die Bundespolizei braucht vor allem eines: eine klare Aufgabe. Und keinen Bundesinnenminister, der den Eindruck erweckt, an dieser Behörde ein Exempel statuieren zu müssen.

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