Gleichstellung homosexueller Ehepaare:Im Namen des schwulen Volkes

In den vergangenen Jahren urteilten viele Gerichte trotz Homo-Ehe gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in vielen Bereichen. Erst das Bundesverfassungsgericht nahm die Diskriminierung von Lebenspartnern nach und nach zurück. Nun könnte Karlsruhe wieder eine wichtige Grundsatzentscheidung fällen.

Daniela Kuhr, Berlin

Der 17. Juli 2002 war für Dirk Siegfried eine Art Befreiungsschlag. "Endlich", so dachte der Berliner Anwalt damals, "endlich müsste auch der letzte Richter in Deutschland einsehen, dass homosexuelle Lebenspartner mit Ehepartnern gleichzustellen sind."

Schröder für steuerliche Gleichstellung homosexueller Paare

Zwei schwule Männer halten sich am 16.07.2011 auf dem Straßenfest zum Christopher Street Day in Thüringen an den Händen. Familienministerin Schröder unterstützt die Initiative von 13 CDU-Bundestagsabgeordneten für eine steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Foto: Michael Reichel dpa (zu dpa 0018 vom 07.08.2012) +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)

An diesem 17. Juli hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, dass das Lebenspartnerschafts-Gesetz von 2001 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Bayern, Sachsen und Thüringen hatten das bezweifelt. Doch der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte klar: Das Lebenspartnerschafts-Gesetz steht im Einklag mit der Verfassung. Die Ehe werde dadurch weder geschädigt noch sonst beeinträchtigt. Ihr drohten "keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können".

Somit war gesichert, dass Homosexuelle eine Lebenspartnerschaft begründen können, die mit denselben Unterhaltspflichten verbunden ist wie eine Ehe", sagt Siegfried, der seit den neunziger Jahren für die Rechte von Schwulen und Lesben kämpft. "Und damit waren endlich die beiden wichtigsten Argumente hinfällig, mit denen Richter zuvor die Klagen von homosexuellen Paaren abgewiesen hatten."

Keine Unterhaltsverpflichtung, keine Ehe

Denn egal ob es um das Sozial-, Beamten-, Familien- oder Steuerrecht ging - bis zum Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes hatten die Gerichte sich geweigert, homosexuellen Paaren dieselben Vorteile wie Ehepaaren zu geben.

Die Begründung lautete meist: Da es bei Homosexuellen so etwas wie eine Hochzeit nicht gebe, wisse niemand, wann genau das Paar beschlossen habe, sich fest zu binden. Vor allem aber seien homosexuelle Partner nicht gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. Und deshalb gebe es auch keinen Grund, sie mit Ehepartnern gleichzustellen.

"Diese beiden Argumente konnten Richter nach dem Urteil aus Karlsruhe nicht mehr heranziehen", sagt Siegfried. Doch zu seinem Erstaunen ließen sie sich von 2002 an plötzlich andere Argumente einfallen. "Auf einmal stellten sie darauf ab, dass man Ehe und Lebenspartnerschaft nicht vergleichen könne, weil aus einer Ehe in der Regel Kinder hervorgingen."

Viele Gerichte urteilten gegen die Gleichstellung

Es war ein zäher Prozess. "Bei vielen Gerichten gab es anfangs einen verblüffenden Widerstand, Lebenspartner mit Ehepartnern gleichzustellen", sagt Siegfried. Das erste positive Signal kam 2004 vom Bundesarbeitsgericht. Die Richter gewährten einem Krankenpfleger, der in einer Lebenspartnerschaft lebte, den gleichen "Ortszuschlag" wie seinen verheirateten Kollegen im öffentlichen Dienst.

Andere Gerichte aber taten sich weiter schwer. So urteilte der Bundesfinanzhof, das oberste deutsche Steuergericht, 2006: Eingetragene Lebenspartner hätten keinen Anspruch auf das steuerlich vorteilhafte Ehegattensplitting. Da die Ehe grundgesetzlich geschützt sei, dürfe der Gesetzgeber sie steuerlich fördern. Siegfried vertrat damals einen der Kläger. "Ich hatte den Eindruck, die Richter meinten, es gehe um die Verteidigung des Abendlandes."

Gegen das abweisende Urteil legte er Verfassungsbeschwerde ein. Sein Fall ist einer von denen, über die Karlsruhe demnächst entscheiden will. Das Ergebnis wird nicht nur von Homosexuellen mit Spannung erwartet.

Siegfried ist optimistisch. "Gerade in den letzten Jahren hat sich viel getan." Zwar hatten noch 2007 und 2008 einzelne Richter des Zweiten Senats verbeamteten Lebenspartnern den Familienzuschlag verwehrt. Doch spätestens seitdem der Europäische Gerichtshof 2008 entschied, dass Schwule Anspruch auf eine Witwerrente des Arbeitgebers haben können, setzte ein Umdenken ein. "Der EuGH machte deutlich, dass es um Diskriminierung geht", sagt Siegfried. "Das wirkte bahnbrechend."

Kinderlosigkeit ist kein Argument mehr

Seither hat Karlsruhe eine ganze Reihe wichtiger Entscheidungen gefällt. So beschloss der Erste Senat 2009, dass Lebenspartnern im öffentlichen Dienst eine Hinterbliebenenrente zusteht. Bei dem Anlass betonten die Richter zugleich: Es gebe keine abstrakte Vermutung dafür, dass aus einer Ehe Kinder hervorgingen. "Damit können Richter auch dieses Argument nicht mehr verwenden", sagt Siegfried. 2010 mahnte Karlsruhe die vollständige Gleichstellung bei Erbschaft- und Schenkungsteuer an, und zwar rückwirkend bis 2001.

Erst vor wenigen Tagen fielen zwei weitere wichtige Entscheidungen. Anfang August forderte Karlsruhe, Lebenspartner beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag gleichzustellen. Und am Mittwoch dieser Woche folgte die Aufforderung, auch bei der Grunderwerbsteuer rückwirkend für gleiche Rechte zu sorgen.

Die erste der beiden Entscheidungen stammte vom Zweiten Senat. "Damit hat nun endlich auch dieser Senat erstmals zugunsten von Lebenspartnern entschieden", sagt Siegfried. Ein Umstand, der ihn besonders freut. Denn über die Frage des Steuersplittings für Lebenspartner wird ebenfalls der Zweite Senat entscheiden.

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