Gestrichene Stellen im Armutsbericht:Peinliche Schönfärberei

"Die Privatvermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt". Selbst die FDP wird keinen Wissenschaftler finden, der diesen Satz widerlegen kann. Trotzdem wurde die Passage gestrichen, genauso wie andere kritische Stellen. Das sagt mehr über den Zustand der Koalition aus als über die Situation der Armen in Deutschland.

Ein Kommentar von Thomas Öchsner, Berlin

Wenn Regierungen Papiere erstellen, arbeiten daran viele Beamte. Jedes Ministerium kann in der Ressortabstimmung auf Änderungen pochen. Und wenn eine Koalition wie die von CDU/CSU und FDP regiert, in der die Partner mehr trennt als verbindet, fließen in so ein Dokument viele Korrekturen.

Bei den neu formulierten Passagen im Armuts- und Reichtumsbericht handelt es sich aber nicht mehr um einen ganz normalen politischen Vorgang, sondern um eine peinliche Schönfärberei.

Es geht um ein paar harmlose Sätze: "Die Privatvermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt." Die FDP wird keinen Wissenschaftler finden, der diese Aussage widerlegen kann. Dennoch wurde dies gestrichen. Dass es vier Millionen Menschen gibt, die weniger als sieben Euro die Stunde verdienen, ist auch nicht erfunden. Trotzdem fehlt diese Aussage jetzt. Und warum soll eine Regierung nicht sagen, dass es das Gerechtigkeitsempfinden von Menschen verletzt, wenn die Löhne zwischen Gut- und Geringverdienern auseinandergegangen sind? Doch selbst diese Passage ist entfernt.

Der geschönte Bericht zeigt vor allem, wie groß der Graben in der Koalition ist. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen bemüht sich, ihr Profil als soziales Gewissen der Union zu schärfen. Und weil ihr die Liberalen das nicht gönnen und am Arbeitsmarkt nur Erfolge sehen wollen, wird die Wirklichkeit geglättet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: