FDP: Diskussion um den Parteichef:Das Westerwelle-Paradoxon

Das Jahr 2011 war bisher für Guido Westerwelle ein Desaster. Drei Wahlen sind verloren, drei weitere Schlappen werden wohl folgen. Dennoch gibt es für die Liberalen gute Gründe, vorerst an ihrem Parteichef festzuhalten.

Thorsten Denkler

Das Superwahljahr 2011 hätte für Guido Westerwelle bisher kaum schlechter laufen können. Die Bilanz nach vier von sieben Landtagswahlen ist verheerend: Nur in Hamburg und Baden-Württemberg schafft es die FDP mit viel Glück in die Parlamente. In keinem der Länder gibt es auch nur den Hauch einer Chance auf Regierungsbeteiligung.

FDP-Vorstand: Westerwelle soll Parteivorsitz an Lindner abgeben

Der König und sein Thronfolger? Führende FDP-Politiker fordern von Parteichef Guido Westerwelle (links), er solle sein Amt als oberster Liberaler an Generalsekretär Christian Lindner abgeben.

(Foto: dapd)

Die liberale Katastrophe schlechthin aber ist die Abwahl der schwarz-gelben Regierung in Baden-Württemberg, dem Stammland der FDP, und der schmachvolle Rauswurf aus dem Parlament in Rheinland-Pfalz.

Und die Aussichten? Mies: In Bremen wird die FDP höchstwahrscheinlich aus dem Parlament fliegen, in Mecklenburg-Vorpommern droht ihr ebenfalls dieses Schicksal. Und in Berlin hat die Partei ohnehin nichts zu gewinnen.

An den Wahlergebnissen will er sich messen lassen, nicht an Umfragewerten, so hat Westerwelle noch auf dem Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart am 6. Januar getönt. Danach war nach Wochen des Dauerbeschusses auf den Parteichef erst einmal Ruhe im eigenen Lager.

Westerwelle wird nicht wundern, dass jetzt die Ersten anfangen, ihn tatsächlich an den niederschmetternden Wahlergebnissen zu messen. Noch sind es nur Stimmen aus der dritten bis vierten Reihe der Partei, die Westerwelle nahelegen, zumindest den Parteivorsitz niederzulegen.

Und doch: Noch ist es zu früh dafür. Freiwillig wird Westerwelle das Feld nicht räumen, das muss allen klar sein. Er hat die FDP ja erst so groß gemacht, dass sie jetzt im Bund mitregieren kann. Westerwelle will sich deshalb nicht vom Hof jagen lassen wie einen räudigen Hund, nur weil die FDP gerade eine schwere Phase durchmacht. Für ihn wird nur ein Abgang in Frage kommen, der mindestens mit dem Ehrenvorsitz gekrönt wird. Es ist nach wie vor sein Anspruch, die Partei irgendwann einmal geordnet zu übergeben. Auch wenn er den Zeitpunkt wahrscheinlich längst verpasst hat.

Wer Westerwelle loswerden will, der muss zum Putsch bereit sein. Das ist aber niemand. Chef-Kritiker Wolfgang Kubicki genauso wenig wie der Dazwischengrätscher Jorgo Chatzimarkakis, beides gernzitierte Querschläger aus dem FDP-Bundesvorstand. Beide ohne Durchsetzungsmacht in der Partei. Wenn diese Herren Westerwelle wirklich schaden wollen, dann müssten sie für ein halbes Jahr einfach mal nix sagen.

Schlimmer geht's nicht

Die Partei ist ganz offensichtlich noch nicht bereit für einen Wechsel an der Parteispitze. Schon deswegen nicht, weil keiner garantieren kann, dass danach alles besser wird. Herbert Mertin, Spitzenkandidat der FDP in Rheinland-Pfalz hat gerade erfahren, dass seine massive Kritik an Westerwelle rein gar nichts genutzt hat. Mertin hatte sich gar geweigert, Westerwelle im Wahlkampf zu integrieren, geschweige denn Plakate mit dem Konterfei des Vorsitzenden aufzuhängen. Ergebnis: Die FDP ist jetzt nicht mehr im Landtag vertreten.

Mit Westerwelle geht es nicht weiter. So sehen das viele in der Partei. Aber noch geht es auch nicht ohne ihn. Nicht solange es keine überzeugende personelle Alternative gibt.

Christian Lindner, 32, der Generalsekretär, er ist der Einzige, der im Moment dafür in Frage käme. Wenn er nicht so jung wäre. Und wenn er wenigstes wollen würde. Westerwelle hat ihn erst vor einem Jahr zum Generalsekretär der Bundespartei gemacht - Lindner ist anständig genug, ihm nach wie vor dankbar dafür zu sein.

Erst wenn Westerwelle ihn gewähren lässt, wenn Westerwelle ihn vorschlägt, wäre Lindner vielleicht bereit, zu kandidieren. Für den Putsch fehlt Lindner das politische Killer-Gen. Westerwelle hat das. Den damaligen Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt hat er kaltblütig aus dem Amt gemobbt, um selbst Parteichef werden zu können.

Und selbst wenn Lindner diesen unbedingten Willen zur Macht hätte, jetzt wäre der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, Westerwelle aus dem Amt zu kegeln. Die zu befürchtenden Niederlagen bei den drei noch ausstehenden Landtagswahlen könnten einen neuen Parteivorsitzenden massiv beschädigen. Von einem neuen Trainer wird erwartet, dass er umgehend Siege einfährt. Diese Chance hätte Lindner nicht. Ab Herbst wäre das Fahrwasser ruhiger, ein Wechsel wäre mit einem echten Aufbruchssignal verbunden.

Bis dahin muss sich die Partei wenigstens noch gedulden. Schlimmer kann Westerwelle die Lage ohnehin nicht mehr machen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: