EU-Haushaltsgipfel:Neue Runde im Milliarden-Poker

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Wenn 28 Länder um eine Billion Euro ringen: In Brüssel hat der EU-Haushaltsgipfel begonnen, der die Finanzen der Gemeinschaft für die nächsten sieben Jahre regeln soll. Alle Staats- und Regierungschefs reisen mit eigenen Vorstellungen an, die Fronten sind verhärtet: Süd- gegen Nordeuropa, Frankreich gegen Deutschland - und Großbritannen gegen alle.

Schnelle Entscheidungen und Verhandlungen, die rasch zum Ziel führen: Dafür ist die Europäische Union nicht gerade bekannt. 27 Staaten, 27 EU-Kommissare, 27 Staats- und Regierungschefs, das verzögert die Entscheidungsprozesse.

Und so stapelt man in deutschen Regierungskreisen vor dem am Donnerstagabend beginnenden EU-Haushaltsgipfel in Brüssel schon einmal tief: Man müsse nicht unbedingt in dieser Woche zu einem Abschluss kommen, heißt es.

"Wenn zur Meinungsbildung noch einige wenige Monate nötig sind, dann ist dies kein Beinbruch", sagte ein namentlich nicht genannter Vertreter der Bundesregierung. Es gebe noch zeitlichen Spielraum, weil die nächste siebenjährige EU-Finanzperiode erst am 1. Januar 2014 beginne.

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Eine Sonderprämie für Schafe, die es gar nicht gibt, und Fördergelder für Lagerhäuser, die in Wirklichkeit Wohnhäuser sind: Die EU-Kommission hat im vergangenen Jahr mindestens fünf Milliarden Euro durch fehlerhafte Budgetplanung verloren. Der Europäische Rechnungshof nennt Beispiele.

Die Fronten scheinen vor dem Gipfel verhärtet: Obwohl in den vergangenen Tagen sehr intensiv zwischen den Hauptstädten telefoniert worden war, reisten die Staats- und Regierungschefs mit unveränderten Positionen zum EU-Haushaltsgipfel an.

Der britische Premierminister David Cameron etwa hatte bei seinem Eintreffen in Brüssel betont, dass er "sehr hart" für britische Interessen und die Bewahrung des Rabatts kämpfen werde, der dem Land einen milliardenschweren Abschlag von seinen Zahlungen nach Brüssel erlaubt. Weil Großbritannien auf seinen Rabatt beharrt, wollen etwa Deutschland, die Niederlande oder Österreich ihre Abschläge auf die Beitragszahlungen ebenfalls behalten. Dänemark fordert erstmals ebenfalls einen Rabatt.

Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker bewertete die Chancen für ein Einlenken der Briten skeptisch. "Ich weiß nicht, wie wir sie überzeugen können. Aber sie müssen überzeugt werden", sagte er. Probleme gibt es auch mit Frankreich. "Es wird schwierig werden," sagte Außenminister Fabius dem TV-Sender BFM-TV. "Wir sind für einen Kompromiss, aber einen Kompromiss, der Europa nicht zerreißt und nicht zum Nachteil Frankreichs ist."

Die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU möchte vor allem keine Einschnitte bei den Agrarsubventionen, von denen sie überproportional profitiert. Deswegen drohen Konflikte mit Deutschland, das auch Einschnitte im Agrarhaushalt fordern will. Eine Lösung müsse sowohl die Interessen der Beitragszahler berücksichtigen, als auch eine sinnvollere Verwendung der EU-Mittel garantieren, wurde in deutschen Regierungskreisen betont.

Angesichts der immer noch großen Differenzen im Streit um die zukünftigen Finanzen der EU könnte ein weiterer Gipfel notwendig werden, um eine Lösung zu finden. Auch wenn sich die Verhandlungen dieses Gipfels noch bis ins Wochenende hinein ziehen könnten, wird über eine Fortsetzung der Verhandlungen wahrscheinlich Anfang Februar des kommenden Jahres nachgedacht.

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Das Finanzvolumen des künftigen EU-Haushalts soll bis 2020 etwa eine Billion Euro umfassen. Neben den 27 EU-Staaten ist auch Kroatien, das 2013 beitreten soll, an den Verhandlungen beteiligt. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy empfing die Staats- und Regierungschefs zunächst zu Einzelgesprächen, sein erster Gesprächspartner war Cameron. Daneben finden etliche bilaterale Treffen statt. Unter anderem wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande am Nachmittag Kompromissmöglichkeiten ausloten.

Die Verhandlungen werden von den Auswirkungen der Finanzkrise überschattet, die fast alle EU-Länder zu einem harten Sparkurs zwingen. "Es war offensichtlich, dass es ein langer Weg sein wird, bevor wir einen Kompromiss haben, der die schwierigen Entscheidungen in den Mitgliedstaaten berücksichtigt", sagte Camerons Sprecher nach dem Gespräch mit Van Rompuy.

Auch andere Nettozahler-Länder wie Deutschland verwiesen darauf, dass der EU-Etat angesichts harter Einsparungen in den nationalen Haushalten nicht steigen dürfe. Sie wollen deshalb weitere Kürzungen an dem Kompromissvorschlag van Rompuys.

Die dringend auf EU-Strukturgelder angewiesenen klammen südlichen Euro-Staaten fordern hingegen wie die Kommission und das Europäische Parlament einen größeren Finanzrahmen. Die nördlichen EU-Staaten wollen eine stärkere Ausrichtung auf Forschung und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

Die Bundesregierung mahnte Kompromissbereitschaft aller Seiten an. "Von Großbritannien wird man am Ende erwarten können, dass sie für einen Gesamtkompromiss einen Beitrag leisten", hieß es in Regierungskreisen.

Sollte bis Ende 2013 keine Einigung gelingen, wird es in der EU danach automatisch nur noch jährliche Haushalte statt des siebenjährigen Finanzrahmens geben.

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