Ermittlungen gegen Wulff:Bares in Hosentasche links

Christian Wulff

Welchen Film hat er im Nordseeurlaub gesehen? Wie teuer waren die Strandkörbe? Die Ermittlungen gegen Wulff machen teilweise ratlos. 

(Foto: AP)

Wo hat Ex-Bundespräsident Christian Wulff sein Geld hingesteckt und wo herausgeholt? Wie hoch war der Preis des Strandkorbs im Nordseeurlaub? Im Verdachtsfall Wulff gab es notwendige Ermittlungen - und solche, die ratlos machen.

Von Hans Leyendecker

Wer bei einem Norderney-Urlaub des Ehepaar Wulffs die Miete für einen Strandkorb im Abschnitt "Weiße Düne bezahlt" habe, wie hoch der Preis pro Tag gewesen sei und ob der damalige niedersächsische Ministerpräsident Geld an einem Automaten der örtlichen Sparkasse abgehoben habe, wollten zwei Kriminalbeamte der Sonderkommission "Urlaub" von dem Zeugen erfahren. Denn von Interesse, das hatten sie vorangeschickt, sei für sie das "Ausgabeverhalten" Wulffs im Urlaub.

Den Strandkorb, antwortete der Zeuge, habe Wulff bezahlt ("etwa sieben bis acht Euro pro Tag") und Geld am Automaten habe er auch mal abgehoben. Was ihm noch zu Geld und Wulff und Norderney einfalle? Im Kursaal habe der damalige Ministerpräsident Kaffee getrunken und im Insel-Kino habe sich Wulff mal einen Film angeschaut. "Welcher Film?" Er sei sich "ziemlich sicher", dass es "Mamma Mia!" gewesen sei. Das passt irgendwie zum Stoff.

Der Strandkorb-Zeuge war ein 35 Jahre alter Polizeibeamter aus Wulffs Heimatstadt Osnabrück, der Wulff neun Jahre lang als Personenschützer begleitet hat - einer von acht Leibwächtern Wulffs, die von den Korruptionsermittlern befragt wurden.

Im Verdachtsfall Wulff gab es notwendige, nachvollziehbare Ermittlungen, die auch aufwendig sein mussten. Es gab weniger notwendige Ermittlungen, aber manchmal wurden auch Fragen gestellt und Ausforschungen betrieben, die zumindest angesichts des dürftigen Endergebnisses im Nachhinein ratlos machen. Selbst Profis waren verblüfft.

Welche Farbe haben die Geldscheine?

Einer der Leibwächter Wulffs, ein gebürtiger Sachse, gab zu Protokoll, es wundere ihn schon, dass das niedersächsische Innenministerium in diesem Fall Aussagegenehmigungen erteilt habe. Personenschützer bekämen im Dienst Sachen mit, die "exakt auch da bleiben sollten".

Zahlt Wulff meist bar oder mit Karte - das war die Frage, und wo Wulff sein Geld hingesteckt und wo er es rausgeholt habe. Die meisten Zeugen tippten auf Hosentasche links, manche meinten auch: Sakko. Diese Antworten führten zu neuen Fragen wie: "Welche Farbe hatten die Scheine?" Es ging schließlich ums "Ausgabeverhalten".

Wulff, das steht fest, hat also mindestens einmal eine Krawatte, ein Hemd und eine Hose gekauft und vermutlich bar bezahlt. In einem Geschäft für Wandersachen hat er auch eingekauft und bar gezahlt. Auch wurden Leibwächter-Zeugen befragt, ob sich das Verhalten des Ministerpräsidenten nach der Trennung von seiner ersten Frau verändert habe, ob er mit Bettina Wulff mehr private Termine gemacht habe und ob er häufiger ausgegangen sei - wen geht das was an?

Ausführliche Befragung zu Wulffs Rolex

Das Wort vom "Ermittlungsexzess" ist nicht, wie manche Korruptionsermittler in Hannover jetzt behaupten, eine bösartige Schmähkritik, sondern eine Zustandsbeschreibung. Und der Zustand ist nicht gut, wenn man echte Korruption wirklich ernst nimmt.

Der frühere Unternehmer Egon Geerkens, der ein väterlicher Freund von Wulff war, hat diese Peinlichkeiten bei seiner Vernehmung im Juni vorigen Jahres auch mal erlebt und später benannt. Er hatte erzählt, dass er seit über 33 Jahren Wulff kenne, den inzwischen verstorbenen Vater Wulff auch, dass er Wulff beim Studium finanziell unterstützt, anlässlich von Hochzeiten auch mit Geld geholfen habe, aber er möge Wulff sehr.

In einem Vertrag sei geregelt worden, dass Wulff für den Fall, dass Geerkens und dessen Frau ums Leben kämen, sich um die kleinen Töchter von Geerkens als Pflegevater kümmern solle. Es bestand also ein familienähnliches Verhältnis zwischen Geerkens und Wulff. Der Oberstaatsanwalt, der ihn vernahm, verstand das sofort.

"Wo brannte es denn bei ihm?"

Aber dann ging es wieder ums Geld, ob und wann Wulff klamm gewesen sei, wie viel Geerkens ihm wann gegeben habe. Mal 2000 oder 3000 Euro meinte Geerkens. Ob denn die Initiative von Wulff ausgegangen sei? "Ja, nein", druckste Geerkens. Wulff habe niemals gesagt: "Kannst du mir 2000 Euro geben?" "Wo brannte es denn bei ihm?", wollte der verständige Strafverfolger wissen. "Irgendwie" höre es jetzt auf, "finde ich", sagte Geerkens. Das gehe doch alles sehr ins Persönliche rein.

Das sei in der Tat für alle Beteiligten schwierig, antwortete der Strafverfolger, aber es solle geprüft werden, ob es Wulff finanziell möglich gewesen sei, einen Urlaub bar zu bezahlen. Ihm sei das peinlich darüber zu reden, antwortete Geerkens. Ihm sei das auch etwas peinlich, antwortete der Oberstaatsanwalt, aber es müsse sein.

Ausführlich hat er Geerkens zu einer Rolex befragt, die Wulff von seinem Vater geerbt hatte. Das Modell "Daytona" ist berühmt, weil der Schauspieler Paul Newman es in einem Film getragen hat. Wulff habe ihm nach der Scheidung die Uhr verkauft, die heute zu "Wahnsinns-Preisen" gehandelt werden, sagte Geerkens, und er habe ihm dafür 30.000 Euro überwiesen. Klar sei gewesen, dass Wulff die Uhr zurückkaufen konnte, eine Art Pfandleihe.

Die Ermittler haben auf Grundlage von Geerkens' Aussage einen ihrer Glaubwürdigkeitstests gemacht und in einer Internet-Recherche festzustellen versucht, ob Wulff zwischen 2007 und 2010 die Rolex, "Modell Daytona Paul Newman", getragen habe. Er hat, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt angeblich im Besitz seines väterlichen Freundes gewesen sein soll. Klärt das den Fall?

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