Ehegattensplitting:Einfach mal handeln

Ehegattensplitting: Grund zur Freude? Wer in Deutschland heiratet, profitiert bislang auch vom Ehegattensplitting.

Grund zur Freude? Wer in Deutschland heiratet, profitiert bislang auch vom Ehegattensplitting.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Richtige ist in der Politik nicht immer das Kluge. Das kann man sehr gut an den Steuerplänen der Grünen studieren. Die Partei schreibt sich die Abschaffung des Ehegattensplittings groß auf die Fahnen - könnte damit aber vor allem ihre Stammwählerschaft verprellen.

Ein Kommentar von Guido Bohsem, Berlin

Zu den beliebtesten Monaten auf dem Standesamt gehört der Mai. Die Leute lieben es, im Mai zu heiraten. Der Frühling, die erblühende Natur, die ersten wirklich warmen Tage . . .

Es gibt aber auch viele Menschen, denen es ziemlich schnuppe ist, ob zum Hochzeitstermin die Sonne lacht oder ob es regnet, stürmt oder schneit. Die heiraten dann im Dezember, und der Grund ist denkbar unromantisch. Es liegt am Ehegattensplitting, und die Brautleute wollen sich diese steuerliche Förderung der Ehe noch für das abgelaufene Jahr sichern.

Konsequent - aber auch klug?

Es ist in den vergangenen Wochen und Monaten viel über das Ehegattensplitting diskutiert und geschrieben worden. Es sei nicht mehr zeitgemäß, weil die Ehe bei Weitem nicht mehr die einzige Form des Zusammenlebens ist. Das Ehegattensplitting fördere Ehen und nicht Familien, weil die Zahl der Kinder keine Rolle spiele. Schließlich hindere das Splitting Frauen daran, sich eine Arbeit zu suchen und es benachteilige sie im Scheidungsfall.

All das ist richtig, und deshalb sind viele Experten zum Schluss gekommen, dass das Ehegattensplitting eigentlich abgeschafft gehört. Die SPD teilt diese Erkenntnis, ist aber klug genug, die Pläne zu verschleiern. Sie sollen nicht für bereits bestehende Ehen gelten, so viel ist klar.

Der Rest ist so vage gehalten, dass kein seriöser Steuerexperte der Welt daraus Belastungen für das einzelne Ehepaar errechnen könnte. Die Grünen, die in vielen Dingen konsequenter sind als die Sozialdemokraten, sind nun die erste Partei, die sich die Kritik am Splitting so richtig zu Herzen genommen hat. Sie haben am Wochenende in ihrem Wahlprogramm beschlossen, das Ehegattensplitting Schritt für Schritt abzuschaffen - in der vollen und wahrscheinlich sogar rechtschaffenen Überzeugung, das Richtige zu tun.

Das Richtige ist in der Politik nicht immer das Kluge. Jedenfalls ist es nicht immer richtig, alle klugen Pläne zu verraten. Das kann man sehr gut an den grünen Steuerplänen studieren. Seit belastbare Zahlen über die Folgen vorliegen, wird vielen Eheleuten klar: "Die meinen ja mich! Wenn die Grünen davon reden, den Reichen zu nehmen, um den Armen zu geben, reden die von meinem Geld." Wer vorher dachte, es geht nur um Spitzenverdiener, weiß es nun unzweifelhaft besser.

Die Grünen haben Erfahrung mit seltsamen Entscheidungen

Die grüne Steuererhöhung setzt nämlich bei einem Einkommen von 5151 Euro im Monat ein. Das ist sicher nicht wenig. Doch wenn Mann, Frau und zwei Kinder davon leben müssen, dann ist es so viel auch wieder nicht - zumal in teuren Großstädten wie München, Köln oder Hamburg.

Das Problem der Grünen im anstehenden Wahlkampf wird sein, dass sie mit diesem Beschluss einen bedeutenden Teil ihrer Stammwählerschaft treffen: Akademikerfamilien in Großstädten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es gerade die in Ordnung finden, mehr Steuern zu zahlen als bislang schon; wahrscheinlich ist das freilich nicht. Aber die Partei hat ja Erfahrung damit, im Wahlkampf seltsame Entscheidungen zu treffen. Erinnert sei nur an 1998, als die Grünen einen Benzinpreis von fünf Mark beschlossen, weil es aus ökologischen Gesichtspunkten das Richtige war.

Nun also das Ehegattensplitting. Es mag richtig sein, diese Subvention der Ehe abzuschaffen. Doch so wie die Grünen das Thema angegangen sind, kann die Sache nur schiefgehen. Es braucht keinen Machiavellisten, um zu wissen, dass man als Politiker über das Abschaffen von Subventionen nicht lange reden sollte. Viel klüger ist es, einfach zu handeln. Wer aber aus dem Abschaffen der Subvention Ehegattensplitting einen Wahlkampfschlager stricken möchte, sollte einfach mal aufs Standesamt gehen und sich sagen lassen, wie viele Ehen im Dezember geschlossen werden. Er wird sich wundern.

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