Dresden: Bomben 1945:Ein deutliches Zeichen

Mehr als 15.000 Menschen haben an die Opfer der Zerstörung Dresdens gedacht - und gegen den Aufmarsch der Neonazis demonstriert. Die Bilanz der Polizei: 27 Verletzte, Dutzende in Gewahrsam.

Christiane Kohl

Die Dresdner haben ein Zeichen gesetzt. Zu Tausenden waren sie zum 65. Jahrestag der Bombardierung der Elbestadt am Samstag zum Rathaus geströmt. "Machen wir Dresden zu einer friedlichen, weltoffenen Festung gegen Intoleranz und Dummheit", rief Oberbürgermeisterin Helma Orosz dort ihren Mitbürgern entgegen.

Dresdner Demonstranten, Foto: ddp

Gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit: In Dresden haben sich 10.000 Menschen versammelt, um an den 65. Jahrestag zu erinnern.

(Foto: Foto: ddp)

Dann forderte die CDU-Politikerin alle auf, sich die Hände zu reichen. Wenig später läuteten die Glocken der Dresdner Innenstadtkirchen und weit über 15.000 Menschen standen dicht an dicht in einer etwa zwei Kilometer langen Menschenkette beisammen, als Erkennungszeichen trugen sie zumeist weiße Rosen am Revers.

Die Kette, die wegen der vielen Menschen teils doppelreihig gebildet wurde, schloss sich entlang der alten Festungswälle Dresdens um die neue Synagoge, das Rathaus und den Altmarkt - sie sollte als symbolischer Schutzwall dienen gegen jene Ewiggestrigen, die sich zur gleichen Zeit vorm Neustädter Bahnhof versammelt hatten.

Die Polizei hat unterdessen eine weitgehend positive Bilanz des Gedenktags an die Zerstörung Dresdens gezogen. Fast alle Veranstaltungen und Versammlungen hätten dem Anlass des Tages "gebührend Rechnung" getragen, erklärte Polizeipräsident Dieter Hanitsch in der Nacht zum Sonntag.

Allerdings sei es auch immer wieder zu "Auseinandersetzungen zwischen Extremisten" von links und rechts gekommen, bei denen Unbeteiligte und Polizisten angegriffen worden seien. Die Polizei zählte mindestens 27 Leichtverletzte, darunter 15 Beamte. 29 Anhänger der linken und rechten Szene kamen demnach in Gewahrsam. Sie müssen sich unter anderem wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten.

Im thüringischen Gera sind am Samstagabend darüber hinaus 183 Neonazis vorübergehend wegen Landfriedensbruchs festgenommen worden. Im Stadtzentrum hätten die Demonstranten gegen 21.45 Uhr einen spontanen Fußmarsch gestartet und dabei auch Polizisten überrannt, sagte ein Einsatzleiter der Polizei. Ein Polizist wurde dabei leicht verletzt. Die Gruppe war aus Dresden zurückgereist.

An die 5000 Rechtsextreme aus dem gesamten Bundesgebiet waren in Dresden im Laufe des Nachmittags zusammengekommen - weit weniger, als die erwarteten 8000. Leute mit Glatzen und schwarzen Ballonjacken, Männer in Lodenmänteln und sogar eine Dame im Nerzmantel hörten da den einpeitschenden Worten der Redner aus dem rechten Lager zu.

"Dresden Nazifrei"

Anfangs waren die Demonstranten immer nur schubweise eingetröpfelt, die Polizei hatte durch geschickte Kontrollen der Dresdner Zufahrtsstraßen und eine zeitweise Sperrung des Bahnverkehrs dafür gesorgt, dass die Anreisenden nur durch erhebliche Verzögerungen und zum Teil nach stundenlangen Fußmärschen den Ort der Kundgebung erreichen konnten. Endlich im Neustädter Bahnhof angekommen, strömten viele dann erst Mal den Toiletten zu.

Unterdessen erschallte aus der Umgebung Trommelwirbel und Rockmusik. Organisiert von dem Aktionsbündnis "Dresden Nazifrei" wurden rund um den Neustädter Bahnhof kleine Kundgebungen gegen die Nazi-Demonstration abgehalten. In eisiger Kälte saßen junge Leute auf den Gleisen und riefen Parolen wie "No pasaran" - keiner darf durch.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Taktik die Polizei hatte.

Tränen in den Augen

Nach Schätzungen der Polizei nahmen an diesen Blockade-Kundgebungen noch einmal etwa 15.000 Menschen teil. Offenbar gelang es ihnen dabei, auch Straßenabschnitte zu besetzen, welche die Polizei eigentlich für den Demonstrationszug der Rechtsextremen vorgesehen hatte - jedenfalls mussten die Nazis und ihre Sympathisanten stundenlang auf dem Bahnhofsvorplatz ausharren, da die Polizei ihnen zunächst nicht erlaubten, sich in einem Demonstrationszug durch Teile der Dresdner Neustadt zu bewegen.

Die Menschenkette war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst, und so strömten Dresdner Bürgerinnen und Bürger über die Brücken der Stadt und gesellten sich teilweise zu den Demonstranten gegen den Nazi-Aufmarsch. Bis zum Nachmittag gab es außer kleineren Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken keine Zusammenstöße, "bislang ist alles friedlich", meinte ein Polizeisprecher gegen 16 Uhr.

Elbe als natürliche Grenze

Minuten später aber schien die Stimmung immer gespannter zu werden: Immer lauter grölten die Teilnehmer der Rechtsextremen-Kundgebung, während linker Blockierer auf ihren Posten beharrten - so schaukelten sich langsam die Aggressionen hoch. Taktik der Polizei war es gewesen, rechte und linke Demonstranten strikt voneinander zu trennen und die Elbe dabei als natürliche Grenze zu benutzen. Angesichts der Massen von Gegendemonstranten auf der Neustädter Seite aber wurde es offenbar immer schwieriger, die Lager auseinander zu halten.

Oberbürgermeisterin Orosz wertete die Menschenkette als beeindruckende Demonstration von demokratischem Bürgersinn: "Ich bin stolz, wie deutlich die Dresdnerinnen, Dresdner und ihre Gäste hier ein Zeichen gegen rechts gesetzt haben". Neben Tausenden von Bürgern hatten auch zahlreiche Prominente an der Menschenkette teilgenommen, etwa der evangelische Landesbischof Jochen Bohl, Sachsen Innenminister Markus Ulbig und der tschechische Minister für Menschenrechte Michael Kocab.

Mahnmal für den 13. Februar

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, am 13. Februar 1945, war Dresden durch einen Bomberangriff der Alliierten in Schutt und Asche versunken.Vollgestopft mit Flüchtlingen brannte bald die ganze Stadt, dabei kamen Tausende ums Leben. Erst vor einiger Zeit waren bei Ausgrabungen am Dresdner Altmarkt noch Leichenteile von Opfern der Bombennacht gefunden worden.

Doch während die Rechtsradikalen stets von rund 250.000 Toten sprechen, war eine Historikerkommission vor einigen Jahren nach umfangreichen Recherchen auf eine vermutliche Opferzahl von 25.000 gekommen.

Auch die Dresdner Frauenkirche war nach dem Bombenangriff zusammengestürzt, stundenlang hatte das gewaltige Bauwerk aus Sandsteinen zunächst gebrannt, dann war es wie ein Mehlsack zusammengefallen. Später geriet der Steinhaufen des Gotteshauses zum Mahnmal und Symbol, an dem viele Dresdner auch schon zu DDR-Zeiten am 13. Februar Kerzen aufstellten.

Rechtsextreme mit Eisbrocken

Rechtsextreme Gruppierungen missbrauchten die Trauer der Bürger nach dem Ende der DDR, um mit sogenannten "Trauermärschen" Stimmung für ihre rechten Parolen zu machen. Dabei war es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen. Indes schienen die Dresdner seltsam unbeteiligt. Nun haben die Bürger ihre Haltung gezeigt.

"Wir sind viel, viel mehr, als ich je erwartet hätte", meinte hernach eine ältere Dame, und sie hatte Tränen in den Augen. Zur gleichen Zeit begann die Stimmung am Neustädter Bahnhof langsam umzuschlagen: Da warfen Rechtsextreme bereits mit Eisbrocken in Richtung und Polizisten, unterdessen hatten linke Demonstranten Straßensperren errichtet und Barrikaden angezündet und die Polizei setzte Wasserwerfer ein. In der Dämmerung begann die Polizei die Kundgebung der Nazis aufzulösen, während rundherum immer noch linke Demonstranten die Straßen blockierten.

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