Dreikönigstreffen der Liberalen:Rösler schrumpft die FDP

Sticheleien statt Einigkeit: Dirk Niebel fordert beim Dreikönigstreffen der FDP personelle Veränderungen in der Partei. Sein Chef Philipp Rösler will dort die "Flamme der Freiheit" verteidigen, leuchtet aber nicht heller als eine Kerze. Er vergibt die vielleicht letzte Chance, sich als starker Mann der Liberalen zu inszenieren. Sein Kontrahent kann das viel besser.

Eine Analyse von Michael König, Stuttgart

Um 10:45 Uhr ist die Welt noch in Ordnung. 1400 Menschen drängen sich auf den Stufen des Stuttgarter Opernhauses. Es sieht aus wie bei einem Rockkonzert. Drinnen wartet aber nicht Bruce Springsteen, der "Boss" genannt wird, sondern Philipp Rösler, der "FDP-Parteichef" genannt wird. Eine gute Show erwarten die Menschen jedoch auch von ihm. Deshalb sind sie am Dreikönigstag zur FDP gekommen.

Hat Rösler eine gute Show geliefert? Um 13:45 Uhr, drei Stunden nach dem Gedränge, steht Wolfgang Gerhardt auf den Stufen des Opernhauses. Der ehemalige FDP-Bundesvorsitzende versucht gar nicht erst, von "Aufbruch" oder einem "starken Signal" zu sprechen. Gerhardt sagt: "Meine Bilanz ist, dass wir den Bundesparteitag dringend vorziehen müssen, um offene Fragen zu klären." Ähnlich hatten sich vor dem Dreikönigstreffen verschiedene Landesverbände geäußert.

Wer führt die FDP?

Die "offene Frage" heißt: Wer führt die FDP? Selbst viele überzeugte Parteigänger sind inzwischen der Ansicht, dass Rösler es nicht kann, dass er abtreten und den Weg für Rainer Brüderle als Interimslösung freimachen muss, unabhängig vom Wahlergebnis in Niedersachsen.

Der Applaus nach Röslers Rede dauert knappe zwei Minuten. Die Leute wollen schnell zur Garderobe, ihre Jacken holen. Als Rösler die Bühne verlässt, ist der Saal schon zur Hälfte leer.

Seine Partei will eine große Partei sein. Das Dreikönigstreffen im Stuttgarter Opernhaus spiegelt das wider. Die Kronleuchter, der Sternenhimmel, die Tradition. Aber Rösler ist ein Mann für das Kleine, das Feine. Er hält eine Rede, die die FDP eher noch schrumpfen lässt.

"Überall dort, wo sich der Staat ausbreitet, erlischt die Flamme der Freiheit", sagt Rösler. Ein starkes Bild. Aber dann folgt: "Sie erlischt nicht sofort, sondern wie eine Kerze, über die ein Glas gestülpt wird." Von der "Flamme der Freiheit" zum kleinen Licht in zwei Sätzen.

"Wir haben die Union besser gemacht"

Rainer Brüderle wäre das nicht passiert. Der Fraktionschef spricht direkt vor Rösler. Das heißt, eigentlich brüllt er. "Aufrechter Gang! Wir müssen selbst an uns glauben, dann glauben die Menschen auch wieder an uns!" So geht das immer weiter. Die Bundesregierung sei nur deshalb so erfolgreich, weil es die FDP gebe: "Wir haben die Union besser gemacht", sagt er ein Dutzend Mal. Und: "Das waren wir!", wenn er die Abschaffung der Wehrpflicht anspricht, die Bafög-Erhöhung, die Abschaffung der Praxisgebühr.

Brüderle ist mit der rhetorischen Axt angereist, watscht den grünen Spitzenkandidaten Jürgen Trittin als "Dosenpfand-Lümmel" ab und sagt im Hinblick auf den glücklosen SPD-Kanzlerkandidaten, "Steinbrück, Pech und Pannen" sei in Berlin längst ein geflügeltes Wort. Indirekt vergleicht er die Grünen mit den Herrschern in der DDR und in Nordkorea. Die Grünen wollten eine "Vermögenssteuer-Stasi" einführen, warnt er.

Die Leute feiern ihn dafür. Brüderle muss Pausen einschieben, um sie applaudieren zu lassen. Wenn sie es nicht tun, fordert er sie auf: "Ja, klatscht da ruhig mal!" Einige lachen, viele folgen der Aufforderung.

"Es zerreißt mich, wenn ich den Zustand unserer FDP sehe"

Auch Rösler macht viele Kunstpausen, aber statt mit der Axt ist er mit einem Blumenstrauß gekommen. Das ist zuvorkommend und praktisch, um der Idee des Liberalismus Kränze zu binden. Zum Befreiungsschlag taugt es jedoch nicht.

Gelacht wird nur, wenn Rösler von seinem Manuskript abweicht. Dann ist er am besten. Als die Grüne Jugend seine Rede stört und Flugblätter in den Saal wirft, sagt er: "Ich frag mich, ob das richtige Grüne sind. Bei denen wird das Papier doch gesammelt, sie werfen es nicht von der Empore." Als ein Mann im Plenum Rösler als "Arschloch" und "Verräter" bezeichnet, bleibt er cool und ruft "das Jahr der Höflichkeit" aus.

Der nette Herr Rösler. Er verteidigt sich gegen maßlose Kritik. Die Gegner würden versuchen, die FDP "unter die Wasserlinie zu drücken." Es würden "Grenzen überschritten", wenn die FDP in Kommentaren mit "Unkraut" verglichen werde. Er persönlich müsse damit rechnen, dass er als Vorsitzender gelegentlich kritisiert werde - "von außerhalb der Partei."

Warnung vor "Profilierungssucht Einzelner"

Das ist ein Seitenhieb auf die parteiinternen Kritiker. Es bleibt der einzige. Eine Passage, in der Rösler vor der "Profilierungssucht Einzelner" warnt, welche die Wahlaussichten der FDP gefährde, steht zwar im Manuskript. In der Rede benutzt Rösler sie jedoch nicht. Er wehrt sich nicht wirklich, er giftet nicht zurück, wie das viele erwartet, zum Teil ersehnt haben. Zwar sagt Rösler zum Schluss noch, "Glaubwürdigkeit sei eine Frage des Stils", aber konkret geht er nicht ein auf die Personaldebatte. Dabei ist sie nicht zu übersehen. Sie findet mitten auf der Bühne statt.

Lange vor der Rede Röslers steht dort Dirk Niebel, nach der Landesvorsitzenden Birgit Homburger und Landtags-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke der dritte Redner an diesem Tag, und rechnet ab.

"Wir müssen schnell unsere Entscheidungen treffen"

"Es zerreißt mich innerlich, wenn ich den Zustand meiner, unserer FDP sehe", sagt Niebel, der schon seit Tagen in Interviews Stimmung gegen Rösler macht. Der Bundesparteitag im Mai sei viel zu spät, "wir müssen schnell unsere Entscheidungen treffen und wir dürfen sie nicht vom Ausgang von Landtagswahlen abhängig machen". Raunen im Saal. So viel Klarheit sind die Liberalen auf dem Dreikönigstreffen nicht gewöhnt.

Zwar schwächt Niebel zunächst ab und würdigt "auch ausdrücklich" Röslers Leistung. Aber: "Die FDP spielt noch nicht in der besten Aufstellung. Das ist so, als würde Jogi Löw einen Torwart zum Innenverteidiger machen."

Rösler, der Torwart auf verlorenem Posten, das Sicherheitsrisiko. Er kann dieses Bild nicht entkräften. Was vielleicht noch schlimmer ist: Er versucht es erst gar nicht. Als die FDP-Spitze nach dem Ende seiner Rede Aufstellung nimmt für die Fotografen, steht der Vorsitzende nicht im Zentrum, sondern ganz rechts, etwas außerhalb des Scheinwerferkegels. Dort, mitten im Licht, steht ein anderer. Es ist Rainer Brüderle.

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