Pannen der Bundeswehr in Afghanistan (1):Zu Fuß auf Minensuche

Die Mängelliste des Wehrbeauftragten offenbart die prekäre Situation an der Front: Deutschen Soldaten fehlt Schutz bei der Suche nach Sprengfallen. Minensucher sind zu Fuß unterwegs - weil die US-Räumfahrzeuge nicht genutzt werden.

Peter Blechschmidt

Defizitanalyse lautet seit dem Dienstantritt von Karl-Theodor zu Guttenberg die Parole im Verteidigungsministerium. Jüngst hat Guttenberg den Wehrbeauftragten des Bundestags, Hellmut Königshaus, als "wandelnde Defizitanalyse" bezeichnet. Manchmal nerve Königshaus, sagte der Minister. Aber im Grunde sei er dankbar, wenn der Wehrbeauftragte Missstände offenlege.

Gefährlicher Einsatz: Deutsche Soldaten im afghanischen Narwan

Gefährlicher Einsatz: Deutsche Soldaten im afghanischen Narwan

(Foto: Getty Images)

In diesen Wochen hat Guttenberg wieder viel Grund zur Dankbarkeit. Ihm und dem Verteidigungsausschuss des Bundestags liegt eine neue Mängelliste von Königshaus nach Truppenbesuchen in Afghanistan vor. Den Wehrbeauftragten ärgert am meisten, dass viele Kritikpunkte, die schon seine Vorgänger angeprangert haben, immer noch nicht beseitigt sind. Das reicht von der als ungenügend empfundenen Vorbereitung auf den Einsatz über das Fehlen von Material und Ersatzteilen bis zu Sicherheitsmängeln und Führungsversagen.

Vorgesetzte und offizielle Sprecher neigen dazu, Beschwerden dieser Art als Einzelfälle herunterzuspielen. In ihrer Häufung und in ihrer Wiederkehr aber können die Klagen kaum als Schilderung von Ausnahmesituationen abgetan werden. Vor allem aber ist es für den unmittelbar Betroffenen nur ein schwacher Trost, dass es allen anderen angeblich ja so viel besser geht. Die Süddeutsche Zeitung wird sich in den nächsten Tagen mit einigen Problemen genauer auseinandersetzen.

Eine der größten Bedrohungen für die Soldaten in Afghanistan sind verminte Straßen und Wege. In Milchkannen und Plastikkanistern, in Handys und in Spielzeugpuppen, in Schlaglöchern und Wasserdurchlässen unter der Fahrbahn deponieren die Aufständischen ihre improvisierten Bomben, die sogenannten IEDs (für Improvised Explosive Device). Sie aufzuspüren, ist gefährlich und langwierig. Soldaten der Bundeswehr können dies nur zu Fuß tun. Dabei kommen sie nur schrittweise voran, zugleich bieten sie außerhalb ihrer gepanzerten Fahrzeuge ein leichtes Ziel.

Schon in einem Erfahrungsbericht im Juni wies Königshaus auf diese Gefährdung hin, ebenso wie darauf, dass sie aus seiner Sicht vermeidbar wäre. Denn anders als die Deutschen verfügen die Amerikaner seit Jahren über zwei Modelle von Räumfahrzeugen, den Buffalo und den Husky. Das sind gepanzerte Fahrzeuge, die mit weit vorausragenden Sensor- und Greifarmen versteckte Bomben aufspüren und unschädlich machen können. Schon damals äußerte Königshaus Unverständnis, dass die Bundeswehr sich diese Helfer nicht zunutze mache. Sie sind zwar kein Allheilmittel; Videos der Taliban zeigen, wie auch ein Buffalo durch eine Bombe am Straßenrand in die Luft gesprengt wird. Aber besser als Soldaten zu Fuß sind die Fahrzeuge allemal.

Auch bei seinem letzten Besuch wurde Königshaus wieder darauf angesprochen, wie sehr ein Gerät wie der Buffalo vermisst wird. Verteidigungsminister zu Guttenberg ließ sich im August persönlich von Spezialisten der US-Armee in Grafenwöhr in der Oberpfalz diese Fahrzeuge vorführen. "Die hätten wir auch gern", seufzte ein hoher deutscher Offizier bei dieser Gelegenheit. Doch in einem "Sachstandsbericht" vom 22. Oktober kommt das Ministerium zu dem Ergebnis, dass es keine "marktverfügbaren Produkte" gebe, welche die "Fähigkeitslücke" der IED-Abwehr schließen könnten. Zur Erklärung teilte das Ministerium der SZ am Mittwoch mit, Buffalos und Huskies seien erst in 21 bis 24 Monaten lieferbar, wenn sie jetzt bestellt würden. Die unter Soldaten kursierende Version, die Fahrzeuge seien nicht längst geordert, weil sie den Abgasnormen des deutschen TÜV nicht genügten, dementierte ein Sprecher.

"Wir müssen unsere Soldaten beim Aufspüren und der Beseitigung von Sprengfallen besser schützen", bekräftigte Königshaus am Mittwoch. "Es gibt passendes Material auf dem Markt, mit dem wir das tun können." Doch die Bundeswehr bastelt lieber an einem eigenen Räumgerät. Das soll im dritten Quartal 2016 einsatzbereit sein. Da sollte die Bundeswehr eigentlich aus Afghanistan abgezogen sein. Als Zwischenlösung wird derweil daran gearbeitet, ferngesteuerte Miniroboter auf einen Kleinpanzer des Typs Wiesel zu pflanzen. Der soll, so der Ministeriumssprecher, "noch im Jahr 2011" verfügbar sein. Bis dahin müssen notfalls die Amerikaner mit ihrem Buffalo aushelfen - was sie seit einiger Zeit dankenswerterweise auch tun.

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