Debatte um angemessene Entlohnung:Rösler im Streit um Mindestlöhne gesprächsbereit

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Im Wahlkampf in Niedersachsen erlebten viele Liberale, dass sie mit ihrer strikten Ablehnung von Untergrenzen selbst in der eigenen Klientel kaum noch durchdrangen.

(Foto: Marcus Brandt/dpa)

Überraschender Kurswechsel: Führende Liberale plädieren für Untergrenzen bei der Bezahlung. Doch weder soll der Mindestlohn überall gelten, noch alle Branchen einbeziehen.

Von Nico Fried und Robert Roßmann, Berlin

Im Streit über Mindestlöhne haben führende FDP-Politiker einen überraschenden Kurswechsel ihrer Partei angedeutet. Ex-Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle sagte, die FDP sei die Partei der Leistungsgerechtigkeit. Stundenlöhne von drei Euro hätten aber "mit Leistungsgerechtigkeit nichts mehr zu tun". Westerwelle bezog sich damit auf die Niedriglöhne in einzelnen Branchen und Regionen Deutschlands. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, er könne sich "schon vorstellen", dass die Liberalen sich noch vor der Bundestagswahl im Herbst mit der Union auf Lohnuntergrenzen verständigen.

Der Ablösungsprozess der Partei von ihrer bisherigen Position gegen Lohnuntergrenzen resultiert aus Erfahrungen in den vergangenen Monaten. Im Wahlkampf in Niedersachsen erlebten viele Liberale, dass sie mit ihrer strikten Ablehnung von Untergrenzen selbst in der eigenen Klientel kaum noch durchdrangen. Der niedersächsische Landeschef Stefan Birkner war deshalb einer der ersten FDP-Politiker, der öffentlich einen Kurswechsel anmahnte.

Ein Gebot der politischen Klugheit

Auch in der Parteispitze wird eine Öffnung zu Mindestlöhnen inzwischen als ein Gebot der politischen Klugheit bewertet. Zugleich wird jedoch versucht, diesen Schwenk als nicht zu drastisch wirken zu lassen. FDP-Chef Philipp Rösler sagte der Süddeutschen Zeitung, die Liberalen wollten "faire Löhne, die unserem Grundgedanken der Leistungsgerechtigkeit entsprechen".

Deshalb unterstütze die FDP "branchenspezifische Lösungen", etwa auf der Grundlage des bestehenden Instrumentariums. Er könne sich "auch ein Mindesteinkommen nach dem Bürgergeldmodell vorstellen, so wie es im Koalitionsvertrag steht", sagte Rösler. Ein "flächendeckender gesetzlicher Einheitsmindestlohn" sei für die FDP dagegen "keine Lösung".

Einen solchen allgemeinen Mindestlohn hat die Union allerdings nie verlangt. Trotzdem konnte sich die Koalition - wegen des bisherigen Widerstands der Liberalen - bei diesem Thema nicht einigen.

Union lehnt einen allgemeinen Mindestlohn weiter ab

Die Christdemokraten hatten sich bereits auf ihrem Bundesparteitag Ende 2011 dafür ausgesprochen, in Bereichen, in denen kein Tarifvertrag existiert, "allgemeine verbindliche Lohnuntergrenzen" einzuführen. Deren Höhe soll allerdings nicht vom Gesetzgeber, sondern von den Tarifpartnern vereinbart werden. Im April 2012 verabschiedete die Unionsfraktion umfangreiche "Eckpunkte" zur praktischen Umsetzung dieses Modells. Sie entsprechen weitgehend den Vorstellungen, die jetzt von führenden FDP-Politikern ins Spiel gebracht werden.

Einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn lehnt die Union auch weiterhin ab. Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte, ein solcher Mindestlohn würde vor Wahlen zu schädlichen Überbietungswettbewerben der Parteien bei der Lohnhöhe führen. Die Union vertraue deshalb lieber den Tarifpartnern. Außerdem sei ein einheitlicher Mindestlohn wegen der Unterschiede in den einzelnen Regionen und Branchen falsch.

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