De Maizière erklärt die Bundeswehrreform:Der Oberbefehlshaber

Thomas de Maizière zeigt mit seinem denkwürdigen Auftritt vor führenden Soldaten, wer der Herr im Bendlerblock ist. Der Verteidigungsminister will die Bundeswehr komplett umbauen. Seine geharnischte Ansage lautet: Wer ihm folgt, kann bleiben. Die anderen haben "keinen Platz".

Thorsten Denkler, Berlin

Am Ende gucken sie etwas betreten, die Generäle und Obersten, die versammelten Führungskräfte aus Heer, Marine und Luftwaffe. Das war aber auch starker Tobak, den Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière da serviert in der Julius-Leber-Kaserne am nordwestlichen Rand von Berlin. Zu einem sonst üblichen langanhaltenden Applaus jedenfalls ist die militärische Elite der Republik danach ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage.

De Maizière zur Bundeswehrreform

"Eine Schönwetterveranstaltung wird das nicht werden": Verteidigungsminister Thomas de Maizière bereitet die Soldaten auf den Umbau der Bundeswehr vor.

(Foto: dpa)

Es sollten alle hören, was er zu sagen hat über die Neusausrichtung der Bundeswehr. Alle Angehörigen der Streitkräfte sind angehalten, den Auftritt des Ministers im Fernsehen zu verfolgen. De Maizière, das wird schnell klar, will mehr als die Bundeswehr irgendwie etwas schlanker und irgendwie auch attraktiver machen. Wenn er umgesetzt bekommt, was er sich mit seiner Neuausrichtung vornimmt, wird die Bundeswehr danach eine andere sein.

Schon strategisch will der Minister die Bundeswehr auf neue Füße stellen. Die klassische Landesverteidigung gegen eindringende Feinde soll nicht länger das wichtigste Ziel sein. Es geht um den Schutz deutscher Sicherheitsinteressen, auch der Wirtschaftsinteressen. Die Bundeswehr müsse im Notfall auch bereitstehen, der Exportnation Deutschland den Zugang zu den Märkten der Welt und ihren natürlichen Ressourcen zu sichern und zwar "zu Lande, zu Wasser und in der Luft", wie de Maizière es formuliert.

Künftig sollen 10.000 Soldaten für den ständigen Auslandseinsatz bereitstehen. Zum Vergleich: Derzeit sind etwa 7000 Soldaten im Auslandeinsatz irgendwo auf der Welt, die meisten im Rahmen des Isaf-Mandates in Afghanistan.

Ingesamt verfügt die Bundeswehr heute über 220.000 Soldaten. Künftig sollen es mindestens 170.000 sein und höchstens 185.000. Davon sollen mindestens 5000 freiwillig Dienst Leistende sein.

Dafür allein muss die Bundeswehr schon massiv umgebaut werden. De Maizière aber will mehr. Die Bundeswehr muss nach dem Willen des CDU-Politikers effizienter werden, weniger hierarchisch. Er will den unteren Ebenen wieder mehr Verantwortung und Entscheidungskompetenzen zubilligen.

Die Analyse de Maizières fällt schonungslos aus. Sie dürfte manchem im vollbesetzen Saal vor den Kopf stoßen. Die Anwesenden sind schließlich alle Teil des mit "Wasserkopf" noch harmlos umschriebenen Führungskollegiums der Bundeswehr. Zu unbeweglich sei die Bundeswehr, erläutert de Maizière. Sie könne Dinge, die keiner braucht, und brauche Dinge, die keiner kann. Sie habe "die angenehmen Sachen zu wichtig und die unangenehmen zu unwichtig werden lassen", moniert der Minister.

Dinge, die keiner braucht

Die kritische Bestandsaufnahme geht weiter: Die Organisation der Bundeswehr sei unzureichend in ihrer "Fähigkeit, ihrer Finanzierung und Führungsstruktur". De Maizière will mehr "Flexiblität und Anpassungsfähigkeit" von der Verantwortlichen. Manche Generäle schauen da leicht genervt.

Genau jene meint der Minister wohl, wenn er sagt, es gäbe "zu viele Stäbe und zu viele Generalstäbe". Die Zuständigkeiten seien "oft unklar", so der Amtschef. Da sei "zu viel Aufsicht für zu wenig Arbeit". Es werde zu viel Verantwortung "von unten nach oben verschoben".

Wer so beginnt, muss liefern - de Maizière macht das. Das Ministerium will er auf 2000 Mitarbeiter verkleinern. Das bedeutet für wenigstens 1500 Mitarbeiter, dass sie künftig nicht mehr dem Ressort angehören werden. Der Minister verspricht, dass alle Hierarchieebenen vom Personalabbau betroffen sein werden.

De Maizière plant, großzügig zurückzuschneiden: Mindestens eine Führungsebene fällt komplett weg. Das Heer wird von elf auf acht Brigaden reduziert. Bei der Luftwaffe wird künftig die Leitungsebene Division gestrichen. De Maizière: "Jetzt merken Sie, dass das eben mit der Reduzierung von Stäben nicht so dahingesagt war." Spätestens in diesem Moment darf jeder Zweifelnde im Saal und an den Bildschirmen gemerkt haben, was die Stunde schlägt.

Erstaunlich unmissverständlich macht de Maizière seinen Untergebenen klar, dass er Widerspruch nicht dulden wird. "Eine Schönwetterveranstaltung wir das nicht werden", warnt der Minister. "Wer sich einbringen und mitgestalten kann, wird schnell seinen Platz finden und seinen Auftrag leben", erklärt er. "Wer dies nicht kann, der hat keinen Platz." Das war deutlich.

Später schiebt er nach: "Von den Angehörigen der Bundeswehr kann ich erwarten, dass sie mit voller Kraft mitmachen." Dann hebt er den Kopf und schaut in den Saal, als wolle er jedem Einzelnen, den das was angeht, direkt in die Augen blicken. Dann setzt er hinzu: "Und das tue ich auch."

In dem Moment ist de Mazière mehr als ein Minister, mehr als ein Politiker. In dem Moment ist er der Oberbefehlshaber, derjenige mit der Kommandogewalt. Mit diesem Auftritt hat er keinen Zweifel daran gelassen, dass er das auch zu bleiben gedenkt.

Ein gewisser Baron ist spätestens jetzt vergessen.

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