Bundesparteitag in Neumarkt in der Oberpfalz:Mehr Programm, aber nicht mehr Mitbestimmung

Redeschlachten, Blockaden durch immer neue Anträge - und dann noch eine Abstimmungspanne: Auf ihrem Parteitag bieten die Piraten das gewohnt chaotische Bild. Der Streit um Online-Parteitage durchzieht das gesamte Treffen, weshalb manche Themen zu kurz kommen. Immerhin stellen die Piraten sich inhaltlich breiter auf.

Von Antonie Rietzschel, Hannah Beitzer und Kathleen Hildebrand, Neumarkt

Vier Monate sind es noch bis zur Bundestagswahl. Die Piraten dümpeln in Umfragen seit geraumer Zeit unter der Fünf-Prozent-Hürde herum. Von Freitag bis Sonntag versammelten sie sich in Neumarkt in der Oberpfalz zu ihrem letzten Parteitag vor der Wahl. Das Wichtigste im Überblick:

  • Die Piraten erschöpfen sich selbst: Eine wahre Schlacht von Geschäftsordnungsanträgen, Desorientierung, Streit - bereits am Samstagabend konstatiert die Versammlungsleitung drastisch: "Die Stimmung ist im Arsch." Hauptgrund für die schlechte Verfassung der Partei: die Diskussion um die Ständige Mitgliederversammlung (SMV) im Internet. Drei Tage heftiger Debatten und eine Abstimmungspanne kostet es die Piraten, dann ist die SMV vom Tisch - vorerst zumindest. Auch mit korrektem Abstimmungsverfahren scheitern die Anhänger von Online-Parteitagen an der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit. Bei einer ersten Abstimmung über das heikle Thema am Sonntag verstießen die Piraten gegen ihre eigene Geschäftsordnung und mussten noch mal an die Urnen. Es herrschte das schon bekannte Piraten-Chaos.
  • Parteichef Schlömer will ran an den politischen Gegner: Fast schon gering sind im Vergleich dazu die Irritationen, für die Parteichef Bernd Schlömer mit seiner Rede sorgt - dabei ist die nicht nur kämpferisch, sondern zugleich extrem bildlich, zumindest laut Redemanuskript: "Bitte einmal euren Finger aus dem Po nehmen, liebe Piraten: Aufbrechen! Klarmachen! Ändern!" Hat er das tatsächlich gesagt?, rätseln die Parteimitglieder. Nach den Befeuerungsrufen folgt ein ausgiebiges Parteien-Bashing. FDP: "Unklar wofür sie steht." Grüne: "Alt seid ihr geworen." CDU/CSU: "Wann eigentlich in der letzten Zeit durch Innovation und Jobwunder aufgefallen?" Wodurch die Piraten in diesem Bundestagswahlkampf auffallen? Das sagt er nicht.
  • Mit diesem Programm ziehen die Piraten in die Wahl: Der Streit um den Online-Parteitag nimmt beim Parteitag viel Raum ein - darunter leiden einige Themen beispielsweise aus den Bereichen Familie- und Geschlechterpolitik oder Inklusion und Barrierefreiheit. Doch einige Punkte können die Piraten klären: In der Asylpolitik wollen sie unter anderem die Abschiebehaft abschaffen und den so genannten Papierlosen ein Leben in Legalität ermöglichen. Die Piraten wollen sich außerdem für die Einführung eines Mindestlohns und ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen. Ein weiteres Kernthema wird die Bildung: Schulbücher sollen kostenlos zur Verfügung stehen. Bezahlbares Wohnen wird eine wichtige Rolle bei dieser Bundestagswahl spielen. Das haben SPD und Grüne bereits erkannt. Die Piraten wollen dieses Thema ebenfalls besetzen und beschließen die Aufnahme ins Wahlprogramm. Recht allgemein bleiben die Piraten in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik: Hier wollen sie auf Prävention und Deeskalation setzen, militärisches Eingreifen wollen sie nicht ganz ausschließen, es soll aber immer nur eine "letzte Option" sein. In Sachen Europa beschließen sie ein EU-Sixpack und fordern mehr Transparenz bei der Handhabung des europäischen Rettungsschirms ESM. Außerdem fällen die Piraten einige Beschlüsse, die für Außenstehende vielleicht etwas überraschend klingen: unter anderem die Abschaffung der Zeitumstellung und eine "friedliche Assimilation" der Grünen Jugend.
  • Vorstandswahlen: Die Piraten haben Katharina Nocun zur neuen politischen Geschäftsführerin gewählt. Zuvor war Johannes Ponader von diesem Amt zurückgetreten. Als Beisitzer rücken Andreas Popp und Christophe Chan Hin nach.

Hier der Parteitag im Live-Blog zum Nachlesen:

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