Boris Beresowskij:Tod eines bankrotten Oligarchen

Lesezeit: 3 min

Er verdiente Milliarden. Er half, Wladimir Putin an die Spitze der russischen Politik zu hieven. Ein Zerwürfnis, eine Scheidung und einen teuren Prozess später war Boris Beresowskij "praktisch ruiniert". Sein noch ungeklärter Tod hat damit womöglich einen recht banalen Hintergrund.

Von Frank Nienhuysen, Moskau

Er hat Attentate überlebt, Mordvorwürfe erhoben und sich auch selber gegen welche gewehrt. Da war es für manche schwer vorstellbar, dass Boris Beresowskij vielleicht freiwillig nicht mehr wollte, oder noch schlichter: dass nach 67 Jahren einfach sein Herz aussetzt. Auch Scotland Yard war sich zunächst nicht sicher. Großräumig wurde in der Mill Lane in Ascot bei London mit Banderolen das Grundstück des russischen Geschäftsmannes abgesperrt. Fachleute für atomare, biologische und chemische Gefahrenabwehr gingen ins Haus, wo Beresowskij, bisher Russlands Staatsfeind Nummer eins, am Samstag von einem Leibwächter tot in der Badewanne gefunden wurde.

Das Leben des Oligarchen bot genug Stoff für düstere Theorien. Vor sechs Jahren hatte Beresowskij einmal gesagt, dass der russische Geheimdienst ihn ermorden lassen wolle, dass er deshalb Großbritannien, sein Exil, zeitweise habe verlassen müssen. Und London ist ja auch jene Stadt, in der Beresowskijs Vertrauter, der ehemalige Geheimdienstler Alexander Litwinenko, 2006 mit radioaktivem Polonium vergiftet worden war. Und doch verdichtete sich am Wochenende sehr rasch die Vermutung, dass der frühere Milliardär, der erst Förderer, dann Feind von Wladimir Putin war, nicht umgebracht worden war. Die britischen Beamten fanden kein Gift, "nichts Verdächtiges". Und kehrten zur Routine zurück, "zu den üblichen Ermittlungen".

Freunde und die Familie Beresowskijs sagten, dass er "eines natürlichen Todes" gestorben sei. Aber auch die Selbstmordthese erschien einigen Vertrauten plausibel zu sein. Der Brite Lord Tim Bell, ein PR-Stratege und Sprecher Beresowskijs, erzählte der Zeitung Sunday Telegraph, dieser sei "extrem depressiv" gewesen. "Er hatte gewaltige finanzielle Probleme, und persönliche auch." Beresowskijs Anwalt Alexander Dobrowinskij erklärte, der Geschäftsmann sei zuletzt "in einem fürchterlichen, schrecklichen Zustand" gewesen. "Er hatte so viele Schulden, er war praktisch ruiniert."

Beresowskij hatte den größten Zivilprozess der britischen Justizgeschichte angestrengt - und verloren. Der Oligarch klagte gegen den Oligarchen Roman Abramowitsch. 3,5 Milliarden Euro wollte Beresowskij, es ging um alte Geschäfte in Russland. Aber das Gericht stimmte gegen ihn. Beresowskij musste 43 Millionen Euro Prozesskosten übernehmen. Auch die teure Scheidung von seiner Frau hatte ihm zugesetzt. Zuletzt musste er wegen seiner Geldprobleme sogar ein Bild von Andy Warhol verkaufen. "Ich habe den Sinn des Lebens verloren, ich weiß nicht, was ich tun soll", sagte er dem Forbes-Journalisten Ilja Scheguljow unmittelbar vor seinem Tod in einem informellen Gespräch, das Beresowskij gar nicht zur Veröffentlichung freigegeben hatte.

Brief an Wladimir Putin

Angeblich sagte er sogar, dass er in seine Heimat Russland zurückkehren wolle, die er so vermisse, trotz der Haftstrafe, die ihn dort erwartet hätte. Ja, sogar respektvoll über "gewisse Qualitäten" des russischen Präsidenten habe er sich geäußert, dessen "unerschütterlichen Willen, die Opposition zu besiegen". Und auch Putins Sprecher Dmitrij Peskow sagte, Beresowskij habe in einem Brief an den Präsidenten von einem Wunsch geschrieben, über Wege zurück nach Russland zu sprechen. Warum der Kreml diesen Brief nicht vorher erwähnt hat, ist unklar. Es wäre jedenfalls eine interessante Wende in der Gedankenwelt dieses Machtmenschen.

Der promovierte Moskauer Mathematiker war einer jener skrupellosen Unternehmer, die zu Gewinnern wurden, als die Sowjetunion zerfiel und die Bevölkerung verarmte. Sein erstes Geld machte Beresowskij mit der Gründung der Autofirma Logo-Vas. Er kaufte sich in den Ölkonzern Sibneft ein, erwarb Anteile der Fluglinie Aeroflot, stieg in Banken ein, übernahm fast die Hälfte des Staatsfernsehens Ostankino, machte Politik mit Zeitungen, Radio und Illustrierten. Eng vernetzt mit der Präsidentenfamilie, war Beresowskij einer der Strippenzieher, die 1996 über seine Medien für die Wiederwahl von Boris Jelzin als Staatschef sorgten. Beresowskij, das war damals die "graue Eminenz im Kreml", einer der mächtigsten Männer im neuen Russland. Jelzin machte ihn zum Vizechef des Sicherheitsrates, sogar die Beförderung von Putin an die Spitze des Staates soll er mit eingefädelt haben. Doch dann änderte sich das Blatt. Putin drängte die Oligarchen an den Rand, und Beresowskij wurde einer seiner ärgsten Feinde.

Späte versöhnliche Gesten

Beresowskij half mit seinem Geld, die Partei Liberales Russland zu gründen und zierte sich nicht, sie als Kampfinstrument gegen den Kreml zu bezeichnen. Doch da war er bereits vor den russischen Behörden nach Großbritannien geflüchtet. Immer wieder forderte Moskau London auf, Beresowskij wegen Wirtschaftsbetrugs auszuliefern. Großbritannien aber gewährte ihm politisches Asyl. Seitdem gingen Beresowskij und seine alte Heimat recht rustikal miteinander um. Der Geschäftsmann rief offen zu einem Regimewechsel in Moskau auf und unterstützte die Opposition, in Russland wiederum wurde immer wieder lanciert, Beresowskij sei der mögliche Auftraggeber für den Mord an der Journalistin Anna Politikowskaja gewesen.

Und nun, nach dem Tod des Oligarchen, gibt es plötzlich späte versöhnliche Gesten. Der persönliche Brief an Putin, die Fehler, die Beresowskij darin zugegeben haben soll, die Reue, die er gezeigt habe. Was dies besagt über diesen zwielichtigen Menschen, ist schwer zu deuten; die Richterin im Londoner Oligarchen-Prozess nannte ihn einmal einen "von Natur aus unseriösen Zeugen".

Ohne Umschweife jedenfalls zeigte sich der Kreml nun bereit, zumindest zu prüfen, dass sein großer Widersacher in Russland beerdigt werden könne. Vor einem Jahr hatte Boris Beresowskij noch dazu aufgerufen, die Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml zu verhindern. Am Ende aber, ohne Geld, hatte er nicht mehr die Mittel, dem Präsidenten weiter zuzusetzen. Das sagte jetzt auch dessen Sprecher Peskow über Beresowskij - "er war ein machtloser Feind".

© SZ vom 25.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: