US-Wahl:Trump kann gewinnen

GOP Presidential Nominee Donald Trump Holds Rally In Jacksonville, Florida

Unterstützer von Trump in Florida

(Foto: AFP)

Durch die Globalisierung verarmen viele Amerikaner. Auf die Wut der Verlierer setzt der Präsidentschaftskandidat der Republikaner.

Gastbeitrag von Claus Leggewie

Bruce Springsteen, der wohl erfolgreichste Rockmusiker in den Vereinigten Staaten, besingt eindrücklich die Verlierertypen, für die der amerikanische Traum nicht in Erfüllung gegangen ist. Richard Ford, einer der besten US-Schriftsteller, schuf in Frank Bascombe eine Romanfigur, die sich irgendwie durchschlägt und einen Haufen Leute kennt, denen genau das nicht gelingt.

Und Chrissie Hynde, Ex-Frontfrau der Pretenders, widmete ihrer Geburtsstadt Akron im Staat Ohio, dem einstigen Reifenlieferanten für Detroit, schon 1984 den Song "My City Was Gone". Bei ihrer Rückkehr, so heißt es darin, war der Bahnhof geschlossen, die Innenstadt mit Parkhäusern vollgestellt, auf einst blühenden Feldern erstreckten sich Shopping Malls. "All my favorite places were gone", klagte sie, und schuld sei "eine Regierung ohne Stolz".

Das Gefühl, die Regierungen hätten das Volk im Stich gelassen und verraten, herrscht heute in vielen Staaten und Städten der Vereinigten Staaten vor, Senator Bernie Sanders greift es ebenso auf wie Donald Trump. Der erste ist im Vorwahlkampf Hillary Clinton unterlegen, aber was ist mit dem zweiten, den die Republikaner halbherzig fürs Weiße Haus ins Rennen schicken?

Lange schien eine Mehrheit für den Immobilienspekulanten aus New York als nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten völlig ausgeschlossen zu sein. Und wenn Hillary Clinton, wie Umfragen bisher vorhersagen, die kritischen "Swing States" erobern sollte, jene Staaten also, in denen traditionell keine der Parteien eine sichere Mehrheit hat, bekäme sie doch noch die Chance für einen überzeugenden Sieg.

Goldwater hatte schon 1964 so extreme Positionen vertreten wie Trump

Ihr Gegner würde dann die größte Wahlniederlage erleiden seit dem Debakel des rechten Republikaners Barry Goldwater, der 1964 ebenso extreme Positionen vertreten hatte wie Trump heute. Da aber derzeit gar nichts auszuschließen ist und in den Swing States der Ärger hochkocht, muss man auch einen Triumph von "The Donald" ernsthaft ins Kalkül zu ziehen.

Trumps entscheidendes Plus: Er (und seinesgleichen in Europa) propagiert das Ende der Globalisierung, wie wir sie kannten. Globalisierung war einmal ein großes Versprechen: Freihandel, offene Grenzen, kultureller Pluralismus, supra- und transnationale Kooperation sollten mehr Wohlstand bringen. Viele aber erlebten sie als mehr soziale Ungleichheit, in Form von Deindustrialisierung, Einwanderungskonkurrenz, Abwanderung von Unternehmen nach Asien und Mittelamerika.

Claus Leggewie

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, 66, ist Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen. Zwischen 1995 bis 1998 hatte er den Max Weber Chair an der New York University inne.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)

Sie sahen verödete Regionen, Finanzkrisen, Staatsbankrotte, hoffnungslose Existenzen. Je mehr die Eliten vorrechneten, es gebe weltweit weniger Armut, im Durchschnitt mehr Beschäftigung und alles in allem mehr Wohlstand, desto ärgerlicher und wütender reagierten vor Ort die (gefühlten) Verlierer der Grenzöffnung und die Gegner von Buntheit und Vielfalt: Die Welt soll gefälligst draußen bleiben.

Seine eigenen Pleiten hat er in eine politische Botschaft verwandelt

Trumps Anhänger wollen vom Weltmarkt nichts hören, sie fühlen sich durch Mexikaner und Muslime bedroht und folgen der Schimäre, der Multimilliardär werde "Amerika wieder groß" machen - wenn schon nicht für sie selbst, dann wenigstens für die Kinder und Enkel. Als ein Unternehmer, der selbst oft pleite war, hat Trump diese Stimmung in eine politische Botschaft gegossen, die bei mindestens der Hälfte der Amerikaner ankommt und auf die eine absolute Mehrheit der weißen Arbeiter setzt. Trump mobilisiert bei ihnen den nie ganz überwundenen Rassismus, jemand wie Hillary Clinton erscheint neben ihm als Symbolfigur des Wall-Street-nahen Establishments und der Superreichen.

Dem großen Geld stehen die Republikaner zwar noch näher, aber sie haben eine Wende der amerikanischen Politik verschlafen. Seit dem New Deal und Lyndon B. Johnsons "Great Society" hieß ihre Losung: weniger (Bundes-)Staat, mehr Rechte für den Einzelnen und die Einzelstaaten. Mit der Aversion gegen "Big Government" konnte man die Demokraten schlagen - bis diese selbst mit Bill Clinton 1996 den "Wohlfahrtsstaat, wie wir ihn kannten" verabschiedeten. Heute verläuft die Spaltungslinie aber nicht entlang der Frage "mehr oder weniger Staat", sondern entlang der Alternative "offene versus geschlossene Gesellschaften".

Was in Akron/Ohio und im deindustrialisierten "Rostgürtel" zählt, ist nicht mehr der konkrete Nutzen von Politik (oder gar Solidarität und humanitäre Intervention), sondern die eigene Befindlichkeit. Belege dafür, dass den entlassenen Autoarbeitern von Detroit im Staat Michigan Tausende neue Jobs im Gesundheitswesen gegen-überstehen, werden beiseitegewischt: Ich will Autos bauen, keine Alten pflegen.

Eine beunruhigende Reverenz an die "America First"-Bewegung

Das Beunruhigende an diesem Gezeitenwechsel ist die Reverenz an die "America First"-Bewegung der 1930er- und 1940er- Jahre, an die schon 1996 Pat Buchanan anknüpfte, der rechte Außenseiter, den die Republikaner damals noch als Kandidaten verhindern konnten. Diese isolationistische Strömung opponierte gegen den New Deal und den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg gegen Hitler, und ganz Radikale wollten sogar mit Hitler den Weltkommunismus bekämpfen.

Das Ergebnis der Anti-Globalisierungs-Stimmung nach dem Ersten Weltkrieg war in Europa die Machtübernahme faschistischer Regime, an die Stelle der liberalen Völkerbundideen trat ein aggressiver völkischer Nationalismus. Viele Konservative in den USA sind entsetzt, dass ihr (immer noch ungeliebter) Kandidat genau an diese europäische, im Kern rassistische Tradition anknüpft. Und dass er sich offenbar auch mit Präsident Wladimir Putin bestens arrangiert. Eine wie auch immer geartete Konvergenz zwischen einem hypernationalistischen Amerika und einem autokratisch-imperialen Russland wäre der Super-GAU für Europa.

Wer dagegen ungerührt die Segnungen der Globalisierung preist, gewinnt höchstens noch eine Wahl. Was also tun? Mit einem Rückfall in protektionistische Positionen wird die Linke weder in Amerika noch in Europa ihre einstige Arbeiterklientel zurückholen. Aber sie kann sich auf ihre Kernideen besinnen und sie den veränderten Zeitläufen anpassen.

Das Bekenntnis zu globaler Kooperation muss heute unterlegt sein mit einer glaubwürdigen Politik für mehr soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Lebens- und Produktionsweisen, die Steuerflüchtlingen aller Art das Handwerk legt und Spekulationskapital in zukunftsfeste Innovationen zwingt. Das ist im derzeitigen Klima schwer zu vermitteln, aber es gelingt gewiss nicht im engen nationalstaatlichen Rahmen. Max Weber abwandelnd könnte man sagen: Aus der Globalisierung kann man nicht aussteigen wie aus einem Fiaker. Aber die Richtung ändern kann man schon.

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