Aufstand gegen Assad:Türkei sorgt sich wegen 1000 Tonnen syrischer Chemiewaffen

Syrien soll über mehr als 1000 Tonnen an chemischen Kampfstoffen verfügen - Schätzungen, die in der Türkei Besorgnis erregen. Beobachter berichten über Kriegsverbrechen von Rebellen und Regierungstruppen.

Menschenrechtler und Regime-Gegner haben in Syrien neue Kriegsverbrechen beider Seiten dokumentiert. Nach Angaben von Oppositionellen sollen die Regierungstruppen bei einer Razzia in der Ortschaft Al-Mastuma in der Provinz Idlib 17 Männer exekutiert haben. Die Dorfbewohner suchten noch nach weiteren Opfern.

Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, Rebellen der islamistischen Al-Nusra-Front hätten drei Soldaten getötet, die sie am vergangenen Samstag in der Stadt Deir as-Saur gefangen genommen hatten. Die von radikalen Sunniten gegründete Al-Nusra-Front veröffentlichte zudem ein Video, das die drei Männer zeigt. Darin sieht man, wie sie ihre Namen nennen und ihre Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit der Alawiten bestätigen, der auch Präsident Assad angehört. Einem der drei Männer wird vorgeworfen, er habe eine junge Frau vergewaltigt. Anschließend sieht man drei Männerleichen in einer Grube liegen.

Aktivisten zufolge kamen bei Kämpfen am Montag in Syrien etwa 70 Menschen ums Leben. Am Dienstag bombardierten die Regierungstruppen mehrere Vororte der Hauptstadt Damaskus.

Teheran ist gegen Einmischung von außen

Das Regime in Damaskus lehnt ein Einmischen von außen vehement ab. Auch Iran beharrt darauf, dass die Zukunft Assads über Neuwahlen bestimmt werden muss. "Ob Assad bleibt oder geht, das sollte alleine das syrische Volk in Neuwahlen bestimmen", sagte Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Teheran. Das politische Schicksal Assads könne nicht von außen gesteuert werden. Nur ein demokratischer Prozess würde zu einer Lösung der Krise in Syrien führen, sagte der Sprecher. Dieses Thema werde der iranische Außenminister Ali-Akbar Salehi auch bei seinem für Mittwoch geplanten Besuch in Ägypten ansprechen.

Mehmanparast bekräftigte die iranische Unterstützung für Assads Plan einer nationalen Mobilmachung. "Wer Frieden und Demokratie in Syrien will, sollte diesen Plan unterstützen", sagte er.

Syrien hat die Chemiewaffenkonvention nicht unterschrieben

Die Regierung in der Türkei lässt sich von den Reden syrischer und iranischer Politiker nicht beschwichtigen. Nach Einschätzung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) besitzt Syrien mehr als 1000 Tonnen an chemischen Kampfstoffen. Darunter befänden sich Stoffe wie Sarin, Senfgas und das Nervengas VX sowie die entsprechenden Trägersysteme, sagte der Generaldirektor der Organisation, der türkische Diplomat Ahmet Üzümcü, der türkischen Zeitung Hürriyet. Die Regierung in Damaskus habe gegenüber der OPCW jedoch versichert, die Chemiewaffen nicht einsetzen zu wollen.

"Besorgnis erregende Lage"

Üzümcü sprach von einer "sehr Besorgnis erregenden Lage". Es gehe vor allem darum, die Chemiewaffen-Lager unter strikter Kontrolle zu halten und eine Verwendung der Waffen in dem seit fast zwei Jahren andauernden Konflikt zu verhindern. Die syrische Regierung habe die Existenz der Waffen offiziell nicht bestätigt, sich aber dafür verbürgt, sie nicht einzusetzen.

Die OPCW ist eine überstaatliche Organisation mit der Aufgabe, die Einhaltung der Chemiewaffenkonvention zum Verbot der Waffen aus dem Jahr 1992 zu überwachen. Der Konvention gehören 188 Staaten an; Syrien hat nicht unterschrieben.

Verladung von 'Patriot'-Flugabwehrraketen

Im Hafen von Lübeck-Travemünde werden Patriot-Abwehrsysteme der Bundeswehr zum Transport in die Türkei verladen.

(Foto: dpa)

Wegen der potenziellen Bedrohung der Türkei durch die Lage in Syrien schickt die Nato derzeit Patriot-Raketensysteme in den Südosten Anatoliens. Die deutsche Patriot-Batterie soll in Kahramanmaras, etwa 150 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, aufgebaut werden und Anfang Februar einsatzbereit sein. Das Raketensystem der Bundeswehr soll am 21. Januar per Schiff in der südtürkischen Hafenstadt Iskenderun eintreffen und von dort aus über Land nach Kahramanmaras transportiert werden. Etwa 400 Bundeswehrsoldaten werden mit der Raketenbatterie stationiert. Neben der Bundeswehr schicken auch die USA und die Niederlande Patriot-Systeme in die Türkei.

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