Aufsichtsrat bei Thyssen-Krupp:Aktenzeichen 17/11318 - ungelöst

Peer Steinbrück bot in seiner gut dotierten Zeit als Aufsichtsrat bei Thyssen-Krupp an, sich "politisch" für Rabatte bei den Energiekosten des Konzerns einzusetzen. Seitdem muss er sich des Vorwurfs erwehren, käuflich zu sein. Das ist hanebüchen. Es gibt aber ein anderes Problem.

Ein Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Sozialdemokraten sind gerne mal empört, im Hauptstadt-Betrieb gelten sie als leicht erregbar. Doch diesmal ist die Aufregung selbst für SPD-Verhältnisse groß: "Ungeheuerlich" findet Generalsekretärin Nahles die Berichte über Steinbrücks Tätigkeit im Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp. Die Fraktionsspitze spricht gar von Angriffen "unter der Gürtellinie" und einer "Schmutzkampagne". Geschieht dem Spitzenkandidaten diesmal also tatsächlich Unrecht? Und um was geht es überhaupt?

Steinbrück war von 2010 bis 2012 Aufsichtsrat des Stahlkonzerns, mehr als 170.000 Euro hat er dafür kassiert. Das wusste man. Doch jetzt wurde bekannt, dass Steinbrück in einer Aufsichtsratssitzung angeboten hat, sich "politisch" für Rabatte bei den Energiekosten des Konzerns einzusetzen. Seitdem muss er sich des Vorwurfs erwehren, quasi käuflich zu sein.

Um es kurz zu machen: Dieser Vorwurf ist hanebüchen, trotzdem hat Steinbrück politische Prügel verdient.

Die SPD fordert seit Langem, dass deutschen Konzernen im internationalen Wettbewerb durch die Energiewende keine Nachteile entstehen dürfen. Es war die Regierung Gerhard Schröder, die energieintensive Unternehmen deshalb von der Ökosteuer entlastet hat. Steinbrück hat im Aufsichtsrat nichts anderes als die Position seiner Partei wiedergegeben. Insofern ist die Empörung der SPD-Spitze also berechtigt.

Nur zwei Monate zwischen Ministerium und Aufsichtsrat

Das eigentliche Problem ist aber nicht, was Steinbrück im Aufsichtsrat gesagt hat - sondern dass er überhaupt in dem Aufsichtsrat saß. Als Bundesfinanzminister war der Sozialdemokrat ein Amtsträger. In der Europäischen Union dürfen Kommissare in den ersten 18 Monaten nach ihrer Dienstzeit ohne Genehmigung keinen neuen Job annehmen. Die EU hat zumindest theoretisch aus Skandalen wie dem überschnellen Wechsel des deutschen Industriekommissars Bangemann zu einem Telefonkonzern gelernt. Spätestens seit dem Blitzwechsel Schröders vom Kanzleramt an die Aufsichtsratsspitze eines Pipeline-Konsortiums werden auch in Deutschland quer durch die Parteien solche Karenzzeiten gefordert.

Steinbrück war das egal. Ende Oktober 2009 räumte er seinen Stuhl als Finanzminister, bereits zwei Monate später saß er im Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp. Und genau deshalb ist die Empörung der SPD-Spitze über die Kritik an Steinbrück dann doch wieder erstaunlich.

Denn es war ausgerechnet die SPD-Fraktion, die vor zwei Monaten den Antrag 17/11318 in den Bundestag eingebracht hat. Da war Steinbrück bereits designierter Spitzenkandidat - und seine Tätigkeit bei Thyssen-Krupp längst Thema in den Kommentarspalten. In dem Antrag fordert die SPD eine 18-monatige Karenzzeit für ehemalige Bundesminister. Ohne Genehmigung einer Ethikkommission solle in dieser Zeit kein Ex-Regierungsmitglied einen Job übernehmen dürfen, heißt es in dem Antrag der SPD-Fraktion. Zu der gehört übrigens auch der Bundestagsabgeordnete Peer Steinbrück.

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