Ackermanns Geburtstagsparty:Brisante Spargellieferung ins Kanzleramt

Ein Blog veröffentlicht Dokumente zu Angela Merkels Ackermann-Einladung aus dem Jahr 2008. Wer damals im Kanzleramt zu Gast war, ist zwar längst bekannt. Interessant aber ist das Schreiben eines Regierungsdirektors aus der für die Wirtschaft zuständigen Abteilung 4.

Nico Fried, Berlin

Am 21. April 2008 erreichte eine Lebensmittellieferung das Bundeskanzleramt, deren politische Bedeutung wohl niemals ganz aufgeklärt werden kann. Es handelte sich um 20 Kilogramm Beelitzer Spargel zu 15,11 Euro je Kilo von einem Gemüsehändler im Berliner Großmarkt. Zusammen mit am selben Tag eingetroffenen 10 Kilo Kalbsrücken à 16,79 Euro pro Kilo vom Großhändler Metro, aus denen Schnitzel geschnitten wurden, entstand daraus einen Tag später das Hauptgericht für ein Abendessen der Kanzlerin mit 26 Gästen - allerdings erst, nachdem am Morgen weitere fünf Kilo Spargel gratis nachgeliefert wurden, offenbar als Ersatz für qualitativ minderwertige Ware vom Vortag.

Protest am Kanzleramt

Protest gegen die Party im Kanzleramt: Ein Aktivist 2009 mit Ackermann-Maske.

(Foto: dpa)

Es wurde ein Abendessen, das in gewisser Weise niemals endete. Die Einladung Angela Merkels für den damaligen Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann könnte irgendwann als einer der am häufigsten wiedergekäuten Vorgänge ihrer Regierungszeit in die Geschichte eingehen. Die Einladung aus Anlass von Ackermanns 60. Geburtstag zweieinhalb Monate zuvor beschäftigte schon viele Medien, sie beschäftigte den Haushaltsausschuss des Bundestages, das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Berlin. Jetzt ist sie mal wieder ein Thema im Internet.

Netzpolitik.org, eine "Plattform für Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter", wie es in der Selbstbeschreibung heißt, hat nun einige Dokumente zu der Einladung im Netz veröffentlicht. Es handelt sich um die Gästeliste samt Sitzordnung, den Entwurf einer Rede aus den Tiefen der Kanzleramtsbürokratie, sowie die Einkaufsrechnungen der Küche, aus denen der Erwerb von Spargel und Kalbfleisch ersichtlich ist.

Da nicht nur speziell für das Ackermann-Essen eingekauft wurde, sondern, wie es in einer handschriftlichen Randnotiz heißt, zur "Vorratsbeschaffung f. d. lfd. Verbrauch" ist aus den Rechnungen zu ersehen, dass im Kanzleramt zum Beispiel drei Sorten Senf vorgehalten werden (Früchte, Feigen, Quitten), sowie ein Kilo Donauwelle und ein Kilo Käsekuchen.

Die Freigabe der Dokumente hat bereits 2011 der frühere Greenpeace-Chef Thilo Bode erstritten. Er wollte wissen, welche Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und Banken sich offenbaren würden und ob man daraus Rückschlüsse auf die Vorgeschichte der Finanzkrise ziehen könnte. Eine erste Anfrage Bodes hatte das Kanzleramt im November 2009 nur teilweise beantwortet. Dagegen klagte Bode. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied am 7. April 2011 bei einigen Dokumenten zugunsten Bodes und erklärte nur den Kalender der Kanzlerin für sakrosankt, weil daraus ein Bewegungsprofil erstellt und Merkels Sicherheit gefährdet werden könne.

Weitere Bürger haben die Dokumente angefordert

Nach Angaben von Netzpolitik.org haben mittlerweile zahlreiche weitere Bürger die Dokumente angefordert. Den Unterlagen angefügt sei stets ein Hinweis des Kanzleramts, dass "einer Weiterverbreitung der übersandten Kopien, namentlich einer Veröffentlichung der darin enthaltenen personenbezogenen Daten" nicht zugestimmt werde. Netzpolitik.org hält dagegen: Es entspreche "nicht unserer Rechtsauffassung des Informationsfreiheitsgesetzes, eine Information zwar zu erteilen, aber die Veröffentlichung zu verbieten".

Die Namen der Teilnehmer sind freilich längst öffentlich bekannt, auch die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber schon am 26. August 2009. Eingeladen waren führende Vertreter aus Wirtschaft (Roland Berger, Jürgen Hambrecht, Arend Oetker), Finanzwelt (Friedrich von Metzler), Kultur (Frank Elstner) und Medien, unter anderem gleich drei Mitglieder des Springer-Verlages.

Interessanter ist das Schreiben eines Regierungsdirektors aus der für die Wirtschaft zuständigen Abteilung 4: Neben dem harmlosen Entwurf einer Rede, von der zudem nicht klar ist, ob sie überhaupt so gehalten wurde, ist darin eine Bewertung der Rolle zu lesen, welche die Deutsche Bank beim Niedergang der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB gespielt haben könnte. Es geht darum, ob die Deutsche Bank bereits im Wissen um einen drohenden Wertverfall massenhaft Aktien der IKB verkauft habe.

Der Regierungsdirektor kommt nach Rücksprache mit dem Finanzministerium zu dem Ergebnis: "Ein Fehlverhalten, das Dr. Ackermann zugerechnet werden könnte, ist bisher nicht erkennbar." Zu deutsch: Den Mann kann man einladen.

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