11. September 2001:US-Experte: "Moussaoui ist schizophren"

Beim Prozess gegen einen mutmaßlichen Attentäter berichten Familienangehörige und ein Psychiater vom Weg des Franzosen in den Extremismus.

Im Prozess um die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA hat ein renommierter US-Psychiater den angeklagten Franzosen Zacarias Moussaoui am Montag als schizophren und paranoid bezeichnet. Der von der Verteidigung geladene Arzt Xavier Amador diagnostizierte bei dem 37-Jährigen nach eigenen Angaben über vier Jahre die entsprechenden Symptome.

Die Verteidigung ließ am Montag mehrere Zeugen auftreten, die über Moussaouis Geisteszustand und seinen Weg in den Extremismus berichteten. So sagten seine Schwestern aus, ihr Vater habe die vier Kinder und die Mutter misshandelt. Die Verteidigung hofft auf mildernde Umstände für den 37-jährigen Angeklagten, dem die Todesstrafe droht.

Die Schwestern krank, der Vater Alkoholiker

Moussaoui leide unter Schizophrenie und paranoiden Tendenzen, erläuterte Amador vor Gericht. Er zeige die gleichen Symptome wie psychisch Kranke, die ihre Krankheit leugnen. Am Donnerstag hatte Moussaoui auf die Frage des Staatsanwaltes Robert Spencer, ob er "verrückt" sei, geantwortet: "Gott sei Dank bin ich das nicht".

Auch die Aussage eines Gefängniswärters legt jedoch nahe, dass der Angeklagte geistig verwirrt ist. Moussaoui habe mehrfach von seiner Überzeugung berichtet, dass US-Präsident George W. Bush ihn befreien und er selbst in London durch die Veröffentlichung eines Buches reich werden würde, sagte der Zeuge.

Moussaouis Schwestern Djamila und Nadia, die ebenfalls psychisch krank sind, äußerten sich auf einem Videoband, das in Frankreich aufgenommen wurde. Der jüngere Bruder sei früher "der kleine Schatz der Familie" gewesen. Aber ihr Vater Omar habe die Geschwister und die Mutter terrorisiert.

Er sei Alkoholiker gewesen, der eine Zeit lang auf der Straße lebte und sich jetzt in einer psychiatrischen Klinik bei Paris befinde. "Er hat unser Leben vergiftet", sagte Jamila. Die vier Kinder lebten zwischen 1968 und 1974 in Waisenhäusern und Heimen.

US-Experte: "Moussaoui ist schizophren"

Auch die Sozialarbeiterin Jan Vogelsang berichtete über Moussaouis schwere Jugend. Sie hatte in Frankreich Verwandte und Bekannte sowie Lehrer, Sozialbehörden und Ärzte befragt. Den Befragten zufolge sei Moussaoui immer wieder beschimpft und aus rassistischen Gründen abgewiesen worden.

Ihnen zufolge veränderte sich der junge Franzose grundlegend, nachdem er 1992 nach London ging und dort mit Islamisten in Berührung kam. Moussaouis Mutter sagte der französischen Tageszeitung "Le Parisien", ihr Sohn sei während seiner Kindheit "täglich Opfer von Rassismus" gewesen.

Vom Opfer zum Täter

In seiner Heimatstadt im südfranzösischen Narbonne sei er immer wieder als "Neger" und "dreckiger Araber" bezeichnet worden, sagte Aicha el-Wafi. Sie selbst wolle zur Urteilsverkündung wieder zum Prozess in die USA reisen und dann den Eltern und Angehörigen der Opfer ihr Beileid aussprechen.

"Mir tut alles leid, was mein Sohn gesagt hat. Aber ich kann nichts dagegen tun. Er ist 37 Jahre alt. Ich erkenne ihn nicht wieder." Der Prozess soll am Dienstag und in den kommenden Tagen mit den letzten Anhörungen der Verteidigung in die Endphase gehen. Nach den Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung entscheiden die Geschworenen, ob Moussaoui zum Tode oder zu lebenslanger Haft verurteilt wird.

Der Franzose war einen Monat vor den Anschlägen vom 11. September 2001 festgenommen worden, da er an einer Pilotenschule im US-Bundesstaat Minnesota als verdächtig aufgefallen war. In seinem ersten Auftritt als Zeuge vor zwei Wochen erklärte er, von al-Qaida als Attentäter eingeplant gewesen zu sein. Er habe eine fünfte Maschine in das Weiße Haus steuern sollen. Prozessbeobachter vermuten, Moussaoui wolle mit seinen Aussagen seine Hinrichtung erreichen, um in den Augen extremer Moslems zum Märtyrer zu werden.

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