Zwangsehen im Jemen:Acht Jahre alt und geschieden

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Die achtjährige Nujood hat sich im Jemen mit einem Scheidungsantrag durchgesetzt und darf so die Zwangsehe mit einem 30-Jährigen beenden. Im Land tobt nun eine Diskussion.

Zwei Monate lang ertrug Nujood Nasser alles - die Schimpfwörter, die Schläge, den erzwungenen Sex. Dann hielt es die achtjährige Jemenitin nicht mehr aus. Sie lief davon. Weg von ihrem 22 Jahre älteren Ehemann, weg von ihrem Vater, der sie wenige Wochen zuvor gegen ihren Willen vermählen ließ.

Die achtjährige Nujood am 15. April bei Gericht - ihr Schicksal ist kein Einzelfall. (Foto: Foto: AFP)

Sie zog vor Gericht und erkämpfte ihre Scheidung. Damit entfachte sie eine landesweite Diskussion über Hochzeiten im Kindesalter. In dem unterentwickelten Land im Südwesten der arabischen Halbinsel gehören arrangierte Hochzeiten von Kindern und Jugendlichen zum Alltag.

Zwar stieg das durchschnittliche Heiratsalter von Mädchen laut einer Studie des "Gender Development Research and Studies Center" in den vergangenen drei Generationen um mehr als vier auf 14,7 Jahre. Die Befragung von rund 1500 Paaren durch ein Forschungszentrum zeigte aber auch, dass in ländlichen Regionen Kinderhochzeiten noch oft vorkommen.

Nujood tauchte Anfang April ein wenig hilflos, aber doch zu allem entschlossen in einem Gericht in Sanaa auf. Sie wollte die Scheidung von ihrem Mann und eine Strafe für ihren Vater. Der habe sie geschlagen und mit Vergewaltigung gedroht, sollte sie den 30-jährigen Fais Ali Thamar nicht heiraten, sagte Nujood der Yemen Times.

Geld als Motiv

Laut Gesetz dürfen Männer im Jemen bis zu vier Ehefrauen haben. Eine Heirat ist offiziell erlaubt, sobald die Braut 15 Jahre alt ist. Doch wenn der Vater als gesetzlicher Vormund einwilligt, ist eine Hochzeit auch früher möglich. Die traditionelle Regel, dass der Ehemann mit dem Vollzug der Ehe bis zum Ende der Pubertät warten muss, werde heute immer öfter gebrochen, berichtet Najat Sajam, Psychologieprofessorin an der Universität Sanaa.

Oft schauen die Väter laut Sajam bei der Einwilligung mehr aufs Geld als auf das Wohlergehen des eigenen Kindes. Denn der Koran sieht für die Frau ein Brautgeld vor. Eigentlich soll es der finanziellen Absicherung der Ehefrau dienen, in der Realität landet es oft im Geldbeutel der Brautfamilie. Auch bei Nujoods Zwangsheirat dürfte Geld eine Rolle gespielt haben.

"Schlimme Dinge"

So soll sich der Vater der Achtjährigen vor der Hochzeit seiner Tochter nach Angaben eines Verwandten als Bettler durchgeschlagen haben. Für die jemenitischen Mädchen hat die frühe Heirat oft gravierende Folgen. So berichtete Nujood von den "schlimmen Dingen", die ihr Mann ihr angetan habe. "Immer, wenn ich im Garten spielen wollte, hat er mich geschlagen und gesagt, ich soll mit ihm ins Schlafzimmer kommen".

Oft bekommen die Minderjährigen bald das erste Kind. "Die Körper der Mädchen sind einfach noch nicht weit genug entwickelt für eine Schwangerschaft", empört sich Psychologin Sajam. Auch mental seien viele Mädchen noch nicht in der Lage sich vernünftig um ihren Nachwuchs zu kümmern. "Sie sind ja selbst meist noch Kinder."

Parlament lehnt Anhebung des Mindestalters für Hochzeiten ab

Nujoods Vater und ihr Ehemann haben trotz allem gegen kein jemenitische Gesetz verstoßen. "Das ist alles legal", sagt Sajam - "leider". Gerade in ländlichen Regionen rechtfertigen viele Jemeniten die frühe Hochzeit mit dem Verweis auf den Propheten Mohammed. Er heiratete seine Lieblingsfrau Aischa als sie etwa sechs Jahre alt war. Und das jemenitische Parlament lehnte einen Gesetzentwurf ab, das Mindestalter für Hochzeiten auf 18 Jahre anzuheben.

Nujoods Martyrium hat mittlerweile dennoch ein Ende gefunden. Ein Gericht in Sanaa beschloss am Dienstagabend die Scheidung der Achtjährigen von ihrem Ehemann. Nujood muss seiner Familie allerdings eine Entschädigung zahlen. Nach Angaben ihres Anwalts flossen zunächst umgerechnet rund 150 Euro - Geld von einem anonymen Spender. Die Achtjährige lebt nun bei ihrem Onkel und soll schon bald der Obhut einer örtlichen Hilfsorganisation übergeben werden.

© dpa, Frederik Obermaier/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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