Zum Tod von Peter Conradi:Leidenschaftlich vernünftig

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Mit Diätenerhöhungen ebensowenig einverstanden wie mit dem Wiederaufbau des Berliner Schlosses: der SPD-Politiker Peter Conradi (1932-2016). (Foto: imago)

Der Architekt, der stadträumliche Debatten im Bundestag beeinflusste wie kaum ein anderer: ein Nachruf auf Peter Conradi.

Von Gottfried Knapp

Es mag in der Bundesrepublik einige Architekten gegeben haben, die als Abgeordnete in den Bundestag gewählt worden sind. Es gab aber nur einen Architekten, der im Bundestag baukünstlerische und stadträumliche Themen so ins Gespräch bringen konnte, dass auf diesen Gebieten politisch einiges bewirkt wurde: Peter Conradi. Als linker Flügelmann der SPD hat sich Conradi für die Bodenrechtsreform eingesetzt; er hat zu den Maastrichter Verträgen kritisch Stellung genommen und in der Kontrollkommission seiner eigenen Partei das Finanzgebaren und die Arbeit des Vorstands kritisiert.

Als 1975 im Bundestag über die Erhöhung der parlamentarischen Diäten entschieden wurde, stimmte Conradi als einziger Abgeordneter gegen eine Aufstockung. Und da er später mit der Wirtschafts- und Steuerpolitik unter Bundeskanzler Schröder nicht einverstanden war, ließ er zeitweilig sogar seine SPD-Mitgliedschaft ruhen.

Conradis Auftritte im Bundestag waren legendär. Da trat ein Gentleman mit handgebundener Fliege auf, der mit feurigem Temperament und kämpferischem Elan ein Problem vor den Zuhörern zum Brennen brachte, der leidenschaftlich für eine Sache eintrat oder aber gnadenlos Missstände anprangerte. So hat Conradi mit klugen Argumenten für den Umzug des Bundestags nach Berlin geworben. Und dass dann dort für alle Bundesbauten internationale Wettbewerbe ausgeschrieben wurden, ja allmählich ein Bewusstsein für architektonische Qualität geweckt wurde, war vor allem seinen Initiativen für eine Baukultur in Deutschland zu verdanken.

So war es fast selbstverständlich, dass der Politiker, der das Baurecht und die Baukunst zu zentralen Themen in der Öffentlichkeit gemacht hat, nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 1998 zum Präsidenten der Bundesarchitektenkammer gewählt wurde. In dieser Rolle konnte er fortsetzen, was er als Parlamentarier begonnen hatte. In der von ihm gegründeten "Initiative Architektur und Baukultur" arbeiten Politiker und Planer erstmals gemeinsam an öffentlichen Problemen.

Als Architekt und erfahrener Bauamtsleiter hat sich Conradi in all den Gremien, in die er berufen wurde, stets für eine vernunftgesteuerte Moderne eingesetzt. Ästhetische Kompromisse und fatale Fehlentscheidungen hat er getadelt. So wehrte er sich energisch gegen den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, oder genauer gesagt: gegen das Herumbinden von Barockfassaden um ein gänzlich anders strukturiertes modernes Vielzweckgebäude. Ein letztes Mal ist er groß in die Schlagzeilen gekommen, als er, der unermüdlich aktive Gegner von Stuttgart 21, im Rahmen einer der letzten großen Demonstrationen von der Polizei mit Wasserwerfern beschossen wurde. Zuvor hatte er die Deutsche Bahn schon mehrfach auch wegen ihrer Privatisierungspläne angegriffen.

Seit 1959 ist Peter Conradi in seiner Wahlheimat Stuttgart Mitglied der SPD. Nicht nur in der Partei, auch in der Staatlichen Bauverwaltung hat er sich damals schnell nach oben gearbeitet. Die Enttäuschung über das Abschneiden seiner Partei bei den jüngsten Landtagswahlen ist ihm erspart geblieben: Peter Conradi ist am 11. März in Stuttgart, wo er auch schon einmal als OB kandidiert hat, gestorben, an diesem Wochenende wird er beigesetzt. Er war 83 Jahre alt.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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