Wolkenkunde mal anders:Pornografie und Blumenkohl

Schon Zeus nutzte "dunkle, geile Wolken", um Frauen zu erobern. Der Autor des Buches "Wolkengucken" warnt seine Leser deshalb eindringlich: "Werden Sie mit Wolken nicht zu intim!"

Anja Tiedge

Ein Buch über Wolken stellt man sich normalerweise so vor: Lateinische Begriffe paaren sich mit wissenschaftlichen Erklärungen und Skizzen, auf denen anhand von Pfeilen, Kreisen und Wellenlinien die Wolkenbildung erklärt wird.

Wolkenkunde mal anders: Cumulus mediocris oder doch Wolkenpornografie?

Cumulus mediocris oder doch Wolkenpornografie?

(Foto: Foto: Mike Rubin)

"Wolkengucken" von Gavin Pretor-Pinney ist so ein Buch, aber doch ganz anders. In der Wolkenskizze taucht ein Ufo auf, Kumuluswolken werden zu Blumenkohl und obwohl das Buch gänzlich jugendfrei ist, wird darin Wolkenpornografie gezeigt.

Pretor-Pinney, 38, ist kein Meteorologe, sondern hat Philosophie und Meteorologie in Oxford studiert. Vielleicht tut er sich darum so leicht, Laien die Entstehung von Wolken und ihre Faszination näherzubringen. Seiner Meinung nach gibt es zwei Arten, in den Himmel zu schauen. Entweder männlich-rational, die Formation erkennend und analysierend, oder feminin-emotional, die Form der Wolke als Bild deutend. "Ich versuche beides, wobei mir die Kombination aus Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft meines Studiums zugute kommt."

In Hamburg und München versuchte Pretor-Pinney, sein Buch, den von ihm gegründeten Wolkenfanclub "Cloud Appreciation Society" und seine Wolkenbegeisterung dem deutschen Publikum näher zu bringen. Was ihm durchaus gelang: Ähnlich wie das Buch bestand seine Präsentation, die er zusammen mit dem deutschen Meteorologen und ARD-Wetterfrosch Sven Plöger hielt, nicht nur aus Kumulus-, Stratus-, und Zirrus-Beschreibungen. Pretor-Pinney band Kinderzeichnungen, katholische Andachtsbildchen und die Geschichte von William Rankin ein, der 1959 in eine Gewitterwolke sprang, um sich aus einem abstürzenden Flugzeug zu retten. Der Autor verwandelte die Zuhörer in Hagelkörner einer Kumulusnimbuswolke, die bei minus 50 Grad durch die Luft geschleudert werden.

Pretor-Pinney ist ein guter Erzähler, der das Publikum und den Leser mühelos auf seine Seite bringt. Dass Wolken aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit unterschätzt werden, ist am Ende allen Zuhörern klar. Der Autor hat scheinbar einen ganz speziellen Blick auf die Welt, entdeckt und untersucht Wolken in Kirchen, auf Gemälden und Filmplakaten. Manchmal scheint er gar verliebt: "Blauen Himmel mag ich zwar auch, aber kurz danach vermisse ich die Wolken schon wieder."

Nur einmal, als nach der Buchvorstellung auf dem Dach der Sternwarte Wolken den Blick auf die partielle Mondfinsternis verdecken, rutscht ihm ein "Fucking clouds!" heraus. Eben wie in einer guten Ehe.

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