Witzigmann & Biolek:"Mit dieser Karotte koche ich nicht!"

Eckart Witzigmann und Alfred Biolek haben gemeinsam ein Kochbuch geschrieben.

Stephan Reinhardt

Es gibt Buchtitel, die finden schon allein aufgrund ihres Covers oder ihrer Autoren reißenden Absatz. Das gemeinsame Kochbuch von Eckart Witzigmann und Alfred Biolek wird, daran dürfte wenig Zweifel bestehen, ein Verkaufsschlager werden. Und das liegt wohl weniger an der Prominenz der beiden Autoren als vielmehr an deren Kombination. Denn die beiden Männer, die da so einträchtig nebeneinander fröhlich prostend vom Schutzumschlag in die Buchläden blicken, sie wollen irgendwie nicht zusammenpassen. Auf den ersten Blick nicht und auch nicht auf den zweiten.

Witzigmann & Biolek: Der Kühlschrank voll, die Karotte schlecht: Eckart Witzigmann stellte Alfred Biolek vor so manches Rätsel. Gemeinsam haben sie sie gelöst.

Der Kühlschrank voll, die Karotte schlecht: Eckart Witzigmann stellte Alfred Biolek vor so manches Rätsel. Gemeinsam haben sie sie gelöst.

(Foto: Alle Bilder entnehmen wir dem beim Mosaik Verlag erschienenen Band.)

Man reibt sich verwundert die Augen und glaubt eher an einen Gag als an das, was man tatsächlich in den Fingern hält. Haben wir die Sendung verpasst, in der der Nobelkoch Eckart Witzigmann seine Schritte in "Alfredissimo" Bioleks von TV-Kameras zugestellte Hobbyküche lenkte? Oder hat Bio seinen Job gewechselt und beginnt eine neue Karriere als Tellerwäscher beim Starkoch auf Mallorca?

Das sind Fragen, die sich in der Buchhandlung so schnell nicht klären lassen. So sehen wir uns genötigt an das zu glauben, was wir sehen. Also, Alfred Biolek und Eckart Witzigmann haben ein gemeinsames Kochbuch verfasst: "Unser Kochbuch". Und als würde das alleine nicht schon für eine Sensation sorgen, haben sie ihr Projekt auch noch unter ein Motto gestellt: "Alternativen zu Fisch und Fleisch".

Ein vegetarisches Kochbuch? Wohl auch, aber was beide antrieb, weist in eine andere Dimension, und die ist nicht nur für Vegetarier genießbar.

Der Anlass zum Buch - "in Zeiten von BSE und MKS dem Verbraucher eine wirkliche Alternative zu den herkömmlichen Gerichten anzubieten" (nochmal Biolek) - wirkt zunächst etwas aufgesetzt, und die Zeiten haben die Prioritäten inzwischen auch ziemlich verschoben. Doch dafür können die Autoren nichts.

Ihr Buch gewinnt seinen praktischen Nutzen dadurch, dass die versammelten Rezepte "Geschmacksexplosionen am Gaumen" entstehen lassen, ohne dass Fleisch, Geflügel oder Fisch in die Kochtöpfe wandern müssen. Doch die Basisrezepte eignen sich laut Witzigmann auch hervorragend als Vorspeisen zu Fleisch- oder Fischgerichten, und auch die Gemüsegerichte sowie jene aus dem Kapitel "Kartoffel & Co" seien "Hilfen für jede Küche - ob mit oder ohne Fleisch und Fisch".

Die Quadratur des Kreises

Letztlich besteht der ganz große Reiz des Buches aber in etwas Anderem. Das Unternehmen glich einer "Quadratur des Kreises", befindet Biolek im Nachhinein, "denn das waren Welten, die da aufeinanderstießen". Tatsächlich ist es aber genau diese Absicht, hier zwei völlig verschiedene Geisteshaltungen und Herangehensweisen zusammenzuführen, um etwas Neues, Gemeinsames entstehen zu lassen, woraus diese ungewöhnliche Zusammenkunft ihre Faszinination bezieht.

Da ist der populäre Fernseh- und Hobbykoch Alfred Biolek, der seine Rezepte so gestaltet, dass sie auch der Ungeschickteste noch auf die Reihe bringt. Trockenkräuter, Fertigprodukte - für Bio kein Grund, zu hungern und nicht zu kochen.

Auf der anderen Seite "Le chef", der "Jahrhundertkoch" Eckart Witzigmann, ein Qualitätsfanatiker, der allerhöchste Ansprüche an die Zutaten stellt, mit denen er kochzaubern soll. "Mit dieser Karotte koche ich nicht", sagt er, und also bleibt die Küche kalt.

Wie können sich also zwei derart unterschiedliche Kochphilosophien zu einer vereinen?

Man beginnt im Kleinen. Witzigmanns Kochbücher stellen seine hobbyköchelnde Fangemeinde nicht selten vor Rätsel. "Weintrauben schälen", finden wir in einem seiner zusammen mit Christian Teubner herausgegebenen Bücher. Wie um Himmels willen aber macht man das, eine Weintraube schälen? Witzigmann lässt seine Leser mit solchen Fragen alleine. Es gibt eben auch Geheimnisse in der Kochkunst. Oder sollte man besser sagen: Grundkenntnisse?

Da professionelle Selbstverständlichkeiten Freizeitköchen natürlich oft abgehen, schlägt hier die Stunde des Advokaten Biolek, dem Gott aller Hobbyköche, die sich ja doch irgendwie immer selbst behelfen müssen. In den vielen Koch-Sessions der beiden, die diesem Buch vorausgingen und in denen immer wieder ausprobiert und variiert wurde, hakte Biolek immer dann nach, wenn Witzigmann den unbequemeren, zeitaufwändigeren Weg ging. Der eher praktisch denkende Biolek überprüfte die Notwendigkeiten des Künstlerischen.

Nach den ungezählten Kochstunden zusammen mit dem Meisterkoch muss Biolek einsehen, dass Kochkunst auch einen durchaus praktischen Nutzen hat. Denn dass Körnergewürze wie Kümmel ihre Aromen viel besser entfalten, wenn sie im Ganzen in Öl angeröstet und anschließend mit dem Messer auch noch zerkleinert werden, war eine neue, dafür aber sehr schmackhafte Erfahrung für den Fernsehkoch.

Dennoch hat Biolek selbst einem Witzigmann das in seiner Schlichtheit bestechende Statement abringen können, dass fertig gemahlene Gewürze allemal besser seien, als ohne Gewürze zu kochen. Und als hätte dieses bedeutsame Eingeständnis nicht schon gereicht, schiebt Deutschlands erster Drei-Sterne-Koch noch hinterher: "Wenn ich privat koche, muss nicht jede Tomate geschält und nicht jedes pürierte Gemüse auch noch passiert werden, aber es muss von guter Qualität sein."

Und als wir in der Zutatenliste zur Kürbissuppe das Wort "Ketchup" lesen, ist uns klar: den beiden aus so unterschiedlichen Kochwelten stammenden Köchen ist der Brückenschlag zwischen "profan" und "professionell" tatsächlich geglückt.

Nur eines haben die beiden vergessen, und das ist eher peinlich: Für wieviele Personen die einzelnen Gerichte konzipiert sind, erfährt man an keiner Stelle. Ein überflüssiges Kochgeheimnis.

Alfred Biolek & Eckart Witzigmann: Unser Kochbuch. Alternativen zu Fisch und Fleisch - Fotos von Mitja Arzensek und Peter Schulte - Niedernhausen: Mosaik 2001 (ISBN 3-576-11628-1), 160 Seiten, Preis: 20 € (39,90 DM)

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