Wintereinbruch:22 Stunden im Zug

Winter in Ostfriesland

Winter in Ostfriesland: Eisglatt spiegelt der Bahnsteig des Bahnhofs in Emden in Niedersachsen am Montag. Das kalte Wetter sorgt noch immer für Behinderungen im Bahnverkehr.

(Foto: dpa)
  • 600 Passagiere mussten 22 Stunden in einem IC warten, der wegen Blitzeis nicht fahren konnte.
  • Auf den Straßen gab es am Montag etliche Unfälle, allein 105 in Niederbayern.
  • Der plötzliche Wintereinbruch hat vielerorts für Chaos gesorgt, die Temperaturunterschiede innerhalb Deutschlands sind extrem.

Von Sophie Burfeind

Das Ende ihres Silvesterausflugs hatten sie sich vermutlich anders vorgestellt: 600 Reisende wollten am Sonntagmittag von Norddeich in Ostfriesland mit dem Zug nach Köln fahren. Doch sie mussten die Nacht im Intercity verbringen, weil der Zug wegen Blitzeis an den Oberleitungen nicht weiterfahren konnte. Wegen der Straßenglätte sahen sich Busunternehmer und Taxis nach Bahnangaben nicht in der Lage, die festsitzenden Menschen aus dem Zug abzuholen. Der IC wurde vom kleinen Bahnhof Marienhafe zurück nach Norddeich geschleppt, wo die Fahrgäste die Nacht auf Pritschen in der Wartehalle einer Fährgesellschaft verbrachten oder im Zug. Immerhin funktionierte die Heizung.

Am nächsten Morgen ging es dann zwar endlich los - doch schon in Emden stand der Zug wieder, diesmal wegen vereister Weichen. Die Panne in Emden wurde laut Bahn nach zehn Minuten behoben, dennoch schlug die weitere Zwangspause auf die Stimmung im Zug, wie Fahrgast Maximilian Mühlens sagte. "Hier ist es spiegelglatt. Aber in Russland fahren die Züge ja auch", sagte der Student aus Bonn. "Warum das bei der Bahn nicht klappt, ist mir ein Rätsel." An Bord des IC 2203 waren Mühlens zufolge etwa 600 Passagiere, darunter rund 30 Kinder. "Von der Bahn kamen leider keine Infos, ob man zum Beispiel ein Hotelzimmer nehmen oder wie es weitergehen kann", sagte der Berliner Lokalpolitiker Thorsten Schatz (CDU), der ebenfalls im Zug war. Erst nach 22 Stunden kam der IC schließlich an seinem Ziel an. Die Deutsche Bahn bat die Reisenden um Entschuldigung und kündigte neben der vollen Erstattung des Fahrpreises eine zusätzliche Entschädigung für die Reisenden an. Starker Eisregen habe Weichen lahmgelegt und die Oberleitung mit einer fingerdicken Eisschicht überzogen.

Noch ein zweiter IC blieb liegen

Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte mehr Reservezüge im Winter. Es könne nicht sein, dass auch einen Tag nach dem plötzlichen Wintereinbruch zwischen Bremen und Hannover Regionalzüge ausfielen, sagte Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann am Montag. Im Fall des bei Norddeich blockierten IC habe die Bahn allerdings richtig gehandelt und den Zug nach Norddeich zurückgeschleppt, um die Reisenden dort gut versorgen zu können. Ein Intercity von Köln nach Emden blieb ebenfalls liegen und konnte geräumt werden.

Nicht nur die Bahn kämpft mit dem Wetter

Nicht nur im Bahnverkehr, auch auf deutschen Straßen sorgte das Winterwetter für Chaos: Allein in Niedersachsen und in Bremen gab es am Sonntag innerhalb eines Tages mehr als 300 Unfälle, in Niederbayern waren es am Montag bis zum frühen Nachmittag 105. Während in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern am Wochenende arktische Temperaturen von bis zu minus 14 Grad herrschten, war es im Südwesten des Landes mitunter um 20 Grad wärmer. Gefährlich werde es dort, wo die kalte Luft vom Nordpol im Nordosten und die warme Luft aus dem Südwesten ineinander fließen, sagt der Meteorologe Frank Böttcher vom Institut für Wetter und Klimakommunikation in Hamburg: "Dann entstehen Luftmassengrenzen, und in diesem Bereich besteht die Gefahr, dass sich gefrierender Regen bildet."

Schnee wird dabei zu Regen und auf dem kalten Boden sofort zu Eis. "Das ist nicht nur gefährlich auf den Straßen. Wenn es längere Zeit gefrierenden Regen gibt, können Strommasten brechen", sagt Böttcher. Für die Bahn sei gefrierender Regen viel problematischer als Schnee, weil Oberleitungen und Weichen einfach zufrieren.

Autofahrer und Zugreisende in Deutschland müssen sich darauf einstellen, dass das Wetter erst mal so bleibt - mit Blitzeis im Südwesten und arktischen Temperaturen im Osten. "Bis Donnerstag oder Freitag wird sich das noch ein wenig verschärfen", sagt Frank Böttcher, "dann steigen die Temperaturen überall wieder." So eisig wie in Berlin und in Brandenburg werde es diesen Winter aber vermutlich nicht noch einmal.

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