Sturm "Niklas" über Deutschland:Orkan "Niklas" richtet schwere Schäden in ganz Deutschland an

  • Die Deutsche Bahn hatte den Regionalverkehr in Niedersachsen, Bayern und NRW wegen des Sturms für Stunden eingestellt. Erste Züge sollen in NRW ab sofort wieder fahren - aber nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern.
  • In Sachsen-Anhalt wurde ein Mann unter einer umstürzenden Betonmauer begraben, in Rheinland-Pfalz hat ein Baum zwei Menschen erschlagen. In Bayern wurde eine Person in einem Auto von einem Baum erschlagen.
  • In München räumt die Polizei den Hauptbahnhof wegen Sturmschäden am Dach der Haupthalle. In Berlin ruft die Feuerwehr den Ausnahmezustand aus.
  • Der Deutsche Wetterdienst rechnet zur Nacht hin mit einer Entspannung der Lage, im Westen gibt es für einige Regionen bereits erste Entwarnungen.

Vier Tote und mehrere Verletzte

Kurz vor Ostern zeigt sich das Wetter von seiner ungemütlichen Seite: Orkan Niklas wütet über Deutschland und hat zunächst vor allem Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen mit voller Wucht getroffen. Am Abend hat ein umgestürzter Baum in Rheinland-Pfalz zwei Menschen erschlagen. Wie die Polizei mitteilte, fiel der Baum bei Montabaur im Westerwald auf ein Dienstfahrzeug der Straßenmeisterei. Rettungskräfte konnten die beiden Männer nur noch tot aus dem Wrack auf einer Landstraße bergen. Damit stieg die Zahl der Sturmtoten auf vier.

Am Nachmittag war in Sachsen-Anhalt ein Mann getötet worden. Der Hausbesitzer aus Groß Santersleben wurde vor seiner Haustür unter einer umstürzenden Betonmauer begraben, sagte ein Polizeisprecher. Bei Pegnitz in Oberfranken fuhr ein mit 140 Passagieren besetzter DB-Regionalexpress auf im Gleis liegende Baumstämme. Der Lokführer und ein weiterer Bahnmitarbeiter wurden leicht verletzt. Beide konnten sich kurz vor dem Aufprall in den hinteren Teil des Triebwagens in Sicherheit bringen. Die Fahrgäste blieben unverletzt. Am Zug entstand nach Polizeiangaben Schaden in sechsstelliger Höhe.

Unwetter - Sturm - Pegnitz

Der Stamm eines Baumes steckt an der Bahnstrecke bei Pegnitz (Bayern) in einem zerstörten Triebwagen des Regionalexpresses Bayreuth-Nürnberg.

(Foto: dpa)

In Bayern wurde eine Person getötet, die in einem Auto saß, auf das ein Baum gestürzt war.

Im Allgäu wurden zwei Menschen verletzt - einer von herabfliegenden Baumteilen, der zweite, als ein Baum auf sein Auto krachte. In Grainau bei Garmisch-Partenkirchen riss der Sturm einen Baum in die Loisach, wo gerade eine Gruppe von fünf Kajakfahrern trotz des heftigen Unwetters unterwegs war. Zwei Männer wurde von dem Baumstamm verletzt, einer davon schwer. An einer Kreuzung in München mit einer besonders windanfälligen Schneise wurde mehrere Menschen vom Sturm einfach zu Boden gerissen.

An der Lennetalbrücke (A45) waren zwei Bauarbeiter in etwa 20 Metern Höhe mit Schweißarbeiten beschäftigt, als sich gegen Mittag das Gerüst aus der Befestigung löste und mit den beiden Arbeitern in die Tiefe stürzte. Der 61-Jährige wurde von einem Hubschrauber in eine Spezialklinik nach Dortmund geflogen, der 33-Jährige kam in Hagen ins Krankenhaus. In Berlin kippte ein Baum um und blockierte die Fahrbahn. Ein Mann wurde dabei leicht verletzt.

Polizei räumt Münchner Hauptbahnhof

In München räumt die Polizei den Hauptbahnhof. Teile der Abfahrtshalle wurden beschädigt. Nach Angaben der Münchner Polizei hob der Sturm eine Glasdachkonstuktion an, einzelne Scheiben fielen heraus und gingen zu Bruch. In Berlin hat die Feuerwehr den Ausnahmezustand ausgerufen. Die Stasi-Opfer-Gedenkstätte in Hohenschönhausen wurde geschlossen. Kleinere Dachteile des früheren Stasi-Dienstsitzes seien durch die Luft geflogen, sagte eine Sprecherin.

In Brunsbüttel wurde ein Frachter von einer heftigen Sturmböe erfasst und gegen ein am Kai festgemachtes Lotsenboot gedrückt. Bei der Havarie wurden beide Schiffe zum Teil erheblich beschädigt. Verletzt wurde niemand. In Bitburg in Rheinland-Pfalz hat der Sturm einen vorübergehenden Stromausfall verursacht. In Kaufbeuren wurde das Dach eines Supermarktes teilweise weggerissen. Im Allgäu wurde ein Mensch leicht verletzt, als ein Baum auf ein fahrendes Auto krachte.

Die Stadt Duisburg hat ihren Mitarbeitern am Dienstag sturmbedingt vorzeitig freigegeben. Die Beschäftigten konnten ab 15 Uhr ihre Arbeitsplätze verlassen, um ohne weitere Gefahr nach Hause zu kommen, teilte die Stadt mit. Man habe sich zu diesem Schritt wegen der Sturmwarnungen der Wetterforscher entschlossen.

Entwarnung im Westen

Sturmtief Niklas hat sich im Laufe des Tages zum Orkan entwickelt und zunächst NRW mit voller Wucht getroffen. In der Nacht soll das Tief über den Nord-Osten Deutschlands abziehen. In einigen Regionen im Westen wird bereits am späten Nachmittag Entwarnung gegeben. "Im nördlichen Nordrhein-Westfalen wurden die Unwetterwarnungen aufgehoben", sagte ein Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst (DWD). "Von Westen her lässt das Ganze nach." Im Sieger- und Sauerland warnten die Meteorologen dagegen weiter vor orkanartigen Böen.

Niklas ist dem DWD zufolge einer der stärksten Stürme der vergangenen Jahre. Es sei damit zu rechnen, dass Niklas das Orkantief Xaver vom Dezember 2013 übertreffe. Die Meteorologen warnten vor entwurzelten Bäumen, herumwirbelnden Gegenständen und schweren Schäden an Gebäuden. "Die Lage ist gefährlich", sagt ein Sprecher. In vielen Landesteilen gab es am Dienstag orkanartige Böen der Stärke 11 und sogar einzelne Orkanböen der Stärke 12.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet mit einer Entspannung der Wetterlage in Niederlage. Die schlimmsten Sturmböen seien bereits über das Land hinweggefegt, sagte ein DWD-Meteorologe am Dienstagabend. Zur Nacht hin werde sich die Wetterlage vermutlich entspannen.

Hier einige Spitzenböen des heutigen Tages von der Unwetterzentrale:

137km/h - Hopferau/Allgäu (Bayern) 133km/h - Altenstadt (Bayern) 131km/h - München-Museumsturm (Bayern) 126km/h - Kalterherberg (NRW) 126km/h - Eltvielle am Rhein (Hessen)

Und einige Spitzenwerte der Bergstationen:

169km/h - Zugspitze (Bayern) 156km/h - Hohenpeißenberg (Bayern) 156km/h - Nebelhorn (Bayern) 150km/h - Feldberg/Schwarzwald (Baden-Württemberg) 150km/h - Großer Arber (Bayern)

Regionalverkehr in Niedersachsen eingestellt

Weil immer mehr Störungen gemeldet wurden, stoppte die Deutsche Bahn am Vormittag den Nahverkehr in NRW komplett. Am Nachmittag wurde der Fernverkehr in Bayern eingestellt. Am Abend wurde auch der Regionalverkehr in Niedersachsen wegen des schweren Sturms gestoppt. Damit solle die Sicherheit der Fahrgäste gewährleistet werden, teilte die Bahn mit.

In Osnabrück fielen drei umgestürzte Bäume auf einen mit etwa 350 Passagieren besetzten Intercity-Zug, teilte die Bundespolizei mit. Es sei aber niemand verletzt worden. Der Zug, der auf der Fahrt von Köln nach Bremen war, sei nicht aus dem Gleis gesprungen. Der IC soll nun mit einer Lok zurück in den Osnabrücker Hauptbahnhof gezogen werden. Bei Coppenbrügge im Landkreis Hameln-Pyrmont fuhr ein Regionalzug auf umgestürzte Bäume. In der Umgebung wurden 40 Häuser beschädigt, verletzt wurde aber auch hier niemand.

Am Abend teilte die Deutsche Bahn mit, dass sie den Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen ab sofort schrittweise wieder anlaufen lassen will. Regionalzüge und S-Bahnen sollten nach und nach wieder fahren. Wegen der nach wie vor heftigen Windböen dürften die Züge aber nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern fahren. Auch im Fernverkehr würden alle Bahnhöfe in Nordrhein-Westfalen wieder angefahren. Auf allen Strecken sei aber noch mit Verspätungen und Zugausfällen zu rechnen.

Wo der Sturm den Bahnverkehr überall lahmgelegt hat, lesen Sie hier.

Chaos auf Flughäfen und auf Straßen

Niklas brachte zudem den Fährverkehr zu den ostfriesischen Inseln durcheinander. Schiffe fielen aus, in vielen Fällen verschoben sich die Abfahrtszeiten. Auf den Flughäfen in Berlin, Hamburg, Frankfurt und München kam es zu Verspätungen, einzelne Verbindungen wurden gestrichen. (Mehr dazu hier)

Auch auf den Straßen hinterließ Niklas Spuren. Autos stürzten um, Bäume mussten von Fahrbahnen gezogen werden, Straßen wurden teilweise blockiert. Dramatisch sah es zeitweise auf der Autobahnbrücke der A29 bei Oldenburg aus. Es bestand die Gefahr, dass ein umgewehter Anhänger von der 26 Meter hohen Huntebrücke in den Fluss stürzt. Helfer konnten das Gespann rechtzeitig bergen. Umgestürzte leere Lastwagen und Anhänger wurden auch an anderen Stellen zu Gefahren. Polizei und Feuerwehren mussten immer wieder Unfallstellen absichern oder sperren.

Auch in Bayern sorgte Niklas auf Autobahnen und Bundesstraßen sowie vielen kleineren Strecken für Behinderungen. Auf der A9 zwischen Nürnberg und München wehte eine Sturmböe einen Lastzug regelrecht um. Auf der A93 nahe Pentling drehte der starke Wind einen 7,5-Tonner gar um 180 Grad. Beide Fahrer wurden leicht verletzt. Im Münchner Norden wurde auf der A9 ein Verkehrsleitsystem demoliert, die Fahrer wurden vor herunterhängenden Metallteilen gewarnt.

Zahlreiche Skigebiete und Hamburger Dom geschlossen

In den deutschen Alpen wurden zahlreiche Skigebiete geschlossen. Viele Skilifte und Bergbahnen stehen still. Auch Skigebiete im Bayerischen Wald sind betroffen. In den Alpen droht erhebliche Lawinengefahr.

Auch der Hamburger Dom wurde am Dienstag geschlossen. Grund sei die Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes, hieß es. Zudem bleibt der Erlebnis-Zoo in Hannover zu. Bayerns staatliche Schlösserverwaltung rät dringend vom Besuch ihrer Gartenanlagen und Parks ab. In Köln ist die Domplatte gesperrt. Die Behörden haben Sorge, dass Teile von dem Bauwerk herunterfallen und Passanten verletzen könnten.

Wegen der starken Regenfälle wurde zudem das für Dienstagabend (18.30 Uhr) angesetzte Länderspiel der deutschen U20-Nationalmannschaft in Aue gegen Tschechien abgesagt. Der Platz im Erzgebirgsstadion sei nicht bespielbar, hieß es. "Es ist zu gefährlich, wir müssen auch an unsere Spieler denken", sagte DFB-Trainer Frank Wormuth.

Karwoche bleibt stürmisch und kalt

Bereits in der Nacht von Sonntag auf Montag hatte Sturmtief Mike den Rettungskräften in vielen Teilen Deutschlands zu schaffen gemacht. Starke Sturmböen und Regen hatten Bäume zum Umstürzen gebracht, Bahnoberleitungen zerstört und für stundenlange Störungen auf einigen Hauptstrecken der Bahn gesorgt. Mehrere Menschen wurden leicht verletzt.

Nachfolger Niklas soll seinen Höhepunkt am Dienstagnachmittag erreichen. Erst in den Abendstunden soll das Unwetter langsam abklingen. Die Karwoche bleibt aber kalt und stürmisch. Im Bergland droht in den Nächten auch Glätte. Polarluft lässt die Temperaturen fast überall auf einstellige Werte sinken.

In Berlin mussten die Bürger bereits am Montag streckenweise mit Glätte durch Schneematsch rechnen. In Ostwestfalen behinderte in der Nacht Schnee den Verkehr. Bis zum Osterwochenende sind Schnee- und Graupelschauer überall bis ins Flachland möglich. Richtig winterlich wird es nach den Erwartungen der Meteorologen nicht, während der Nacht gefallener Schnee dürfte rasch wieder schmelzen. Von Ostermontag an sollen die Temperaturen dann wieder zweistellig werden.

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