"Westminster Kennel Dog Show": Der Hund aller Hunde heißt "Rumor"

Westminster Kennel Dog Show

Das Social-Media-Einmaleins bei einer Hundeshow (beobachtet im Madison Square Garden): Stadionbildschirm abfotografieren, hochladen, Herzchen hinzufügen, fertig.

(Foto: Johanna Bruckner)

Bei der "Westminster Kennel Dog Show" gibt es seltene Hunde zu sehen und mehr Pailletten als bei einem Mariah-Carey-Konzert. Am Ende offenbart sich die Ähnlichkeit von Mensch und Tier.

Von Johanna Bruckner, New York

Der Abend im Madison Square Garden erreicht seinen emotionalen Höhepunkt nach einem Werbespot für Hundefutter. Der Plot geht in etwa so: Hund rettet Mann aus Lebenskrise und bekommt dafür das beste Futter, das es für Geld zu kaufen gibt. Der Mann aus dem Werbefilm ist ein junger Afghanistan-Veteran, der im Einsatz ein Bein verloren hat. Jetzt steht er mit Ehefrau und Hund in der Arena und lächelt verlegen. Das Publikum jubelt. Im Scheinwerferlicht glänzen die blonden Haare von Herrchen, Frauchen und Hund.

Sonst finden im Madison Square Garden Sportveranstaltungen oder Konzerte statt. Heute wird hier die 141. "Westminster Kennel Club Dog Show" ausgerichtet, es ist der Vorabend des großen Finales. Der Austragungsort passt: Wenn es Menschen gibt, die noch hundeverrückter sind als die Deutschen, dann leben sie in New York. Hier verlassen Hunde bei schlechtem Wetter nur mit maßgeschneiderten Pfotenüberziehern das Haus.

Die "Westminster Kennel Club Dog Show" ist die zweitälteste Sportveranstaltung Amerikas - nur das Kentucky-Derby gibt es länger. Wichtiger als diese historische Nachrangigkeit ist aber das Selbstverständnis. Der Stadionsprecher verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff "self-importance", für den es im Deutschen keine Entsprechung gibt. Man könnte nun ins Grübeln kommen, was das mit der großen Politik und dem Mann mit den kleinen Händen zu tun hat. Oder man macht es wie die anderen Zuschauer im gut besuchten Madison Square Garden und bewundert die würdevolle Haltung, mit der ein "English Toy Terrier" den Kunstrasen auf und ab tippelt.

Fast 3000 Hunde sind in diesem Jahr zum Wettbewerb angemeldet. In vier Kategorien findet die Finalrunde statt: "Hound", "Toy", "Non-sporting" und "Herding" lauten die Kategorien, zu deutsch etwa Jagdhunde, Schoßhunde, Hunde ohne besondere (Jagd- oder Hüte-) Begabung und Hirtenhunde. Übertragen wird die Veranstaltung vom Fernsehsender Fox Sports. Der hat eine Moderatorin im roten Abendkleid vor Ort, außerdem eine Backstage-Reporterin, die Hunde interviewt und Tweets mit Bildern von Welpen vorliest. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, ob der Job bei einer Hundeshow wohl am Anfang oder am Ende einer TV-Karriere steht.

"There's no business like show business", sang einst Ethel Merman. Das gilt genauso für die Teilnehmer im Madison Square Garden, auch wenn der Stadion-DJ hier "Who Let the Dogs Out" spielt. Während auf den Zuschauerrängen Snoopy-Sweatshirts das Maß der Dinge sind, geht es auf dem Kunstrasen formaler zu: Die Herrchen tragen Anzug, die Frauchen Kostüm. Wobei Letzteres ein textiler Euphemismus ist: So viele Pailletten, wie für manchen Damenzweiteiler verarbeitet wurden, finden sich nicht mal in einer Show von Mariah Carey.

Da geraten die Hunde fast in den Hintergrund, und das ist schade, denn Exemplare wie Otterhund "Patron" (Kategorie: "Hound") sind laut Stadionsprecher seltener als der Große Panda. In diesem Moment wird klar, dass die "Westminster Kennel Club Dog Show" in diesen Tagen mehr ist als ein profaner Hundewettbewerb. Sie ist gelebte Internationalität und Willkommenskultur, hier wird die Englische Bulldogge "Demon" genauso frenetisch beklatscht wie der chinesische Pekinese "Chuckle". Und Mauern? Werden einfach übersprungen.

Nur nicht den Gesamteindruck kaputt machen

"Patron" verliert am Ende gegen einen Norwegischen Elchhund namens "Duffy". Der auf der Leinwand eingeblendeten Kurz-Bio ist zu entnehmen, dass der liebste Snack der Hundedame Pizza ist. Das macht Duffy sympathisch, hat aber vermutlich nichts mit ihrem Sieg zu tun. Für die Halter und ihre Hunde geht es darum, dem jeweiligen Rasse-Ideal möglichst nahezukommen. Das Urteil obliegt der ehrwürdigen Hunderichterin Mrs. Polly D. Smith, die Duffy erst abtastet und sie anschließend eine vermutlich nur für den Laien willkürlich wirkende Abfolge von Kreisen und Bahnen laufen lässt.

An dieser Stelle wird klar, warum die Frauchen allesamt flache Schuhe tragen: Wer beim Nebenherrennen nicht mithalten kann, versaut den Gesamteindruck. Apropos. Es ist kein Regelverstoß, zwischendurch das Fell in Form zu bürsten. Und auch wenn es so wirkt, als würden die Hundehalter mit Leckerli locken, um sie sich dann selbst in den Mund schieben - die freundliche Nebensitzerin klärt auf: Das Leckerli werde lediglich zwischen die Zähne geklemmt, um die Hände frei zu haben. Vom Verfüttern rät die Expertin langfristig ab. Dicke Hunde sind keine Gewinnerhunde.

Ein Hundeleben ist kein Ponyhof

Bevor jetzt der Eindruck einer gnadenlosen Welt entsteht: Der Westminster Kennel Club gibt die knapp 50 Dollar Eintritt zumindest teilweise weiter. In einer der Werbepausen wird ein symbolischer Scheck überreicht, er geht an Frauenhäuser, die Haustiere akzeptieren.

Ja, auch ein Hundeleben ist kein Ponyhof. Und manchmal sind zwei zusätzliche Beine der einzige Unterschied zwischen Mensch und Tier. Da gibt es einen Hund, der mit dem Namen "Cat" gestraft wurde. Der Finnische Spitz "Whizz" läuft am liebsten den Mädchen hinterher. Und am Ende gewinnt, wer am besten posen kann. "Best in Show 2017", der Hund aller Hunde, ist eine Schäferhündin namens "Rumor".

Westminster Kennel Dog Show

"Rumor" rennt. An ihrer Seite: Besitzer Kent Boyles.

(Foto: AP)
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