Werktstattbericht:Rekonstruktion einer aufgeregten Nacht

Wie können aus einem Amoklauf 67 Terroranschläge werden? Ein SZ-Team hat über Wochen recherchiert - und dafür auch mehr als als 113.000 Tweets ausgewertet. Ein Werkstattbericht.

Von Wolfgang Jaschensky

München, 22. Juli 2016: Viele Bewohner dieser sonst so gemütlichen Stadt verfallen in eine kollektive Hysterie. Wie können aus einem Tatort 67 werden? Stachus, Marienplatz, Isartor, Tollwood. Überall in der Stadt sollen Schüsse fallen, sollen Attentäter mit Langwaffen unterwegs sein. Wie entstehen solche Gerüchte, wie verbreiten sie sich - und wie können sie wieder aus der Welt geschafft werden?

Um diese Fragen zu beantworten hat ein Team der Süddeutschen Zeitung über Wochen recherchiert - und dafür auch mehr als als 113.000 Tweets des Sozialen Netzwerks Twitter ausgewertet.

Grundlage der Recherche sind Tweets, die über die Plattform im Zeitraum vom 22.7.2016 um 17 Uhr bis zum Folgetag um 10 Uhr zu Schlagworten wie oez, muenchen oder stachus abgesetzt wurden.

Anhand der Tweets zeigt sich, zu welchen Zeitpunkten sich Nutzer über bestimmte Aspekte der Tat ausgetauscht haben. Der Fokus der SZ-Recherche: Die verschiedenen Gerüchte zu Schüssen in der Innenstadt, zu Tätern und ihren Waffen. Aber natürlich zeigen die Tweets hier nur einen kleinen Ausschnitt. Über Twitter erreichen Nachrichten weit weniger Menschen als über Facebook, Whatsapp oder klassische Medien wie der Bayerische Rundfunk oder auch SZ.de.

Deshalb war die Twitteranalyse auch nur der Ausgangspunkt für die Recherche, die viele Hinweise gab für Nachfragen bei Dutzenden Interviewpartnern: Augenzeugen und Polizisten, Ärzten und Journalisten. Das SZ-Team hat sich außerdem die Live-Berichterstattung der TV-Sender angesehen, die Liveblogs der großen Medien und die Kommunikation der Polizei auf Facebook und Twitter.

Das Ergebnis ist die Rekonstruktion einer aufgeregten Nacht, die zeigt, mit welch ungeheuerlichen Geschwindigkeit sich Gerüchte verbreiten - von sozialen Medien zu TV-Sendern und Nachrichtenseiten und zurück - und wie aus falschen Informationen echte Panik entsteht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: