·:Weltreise zum Wunschkind

Weil man in Deutschland immer länger auf eine Adoption warten muss, stellen viele Paare einen Antrag im Ausland. Doch auch dort stoßen sie auf bürokratische Hürden

Jeanne Rubner

Yohane Banda hat seine Meinung geändert. Der Vater des Jungen aus Malawi, der nun bei Madonna in London lebt, sagt jedenfalls, es sei doch gut, dass sein Kind ein neues Zuhause habe. Nachdem seine Frau und zwei andere Kinder gestorben waren, hatte er David ins Heim gegeben. Er selbst müsse sich leider um seinen Acker kümmern, sagt Banda, und habe daher weder Zeit noch Geld, um David ein anständiges Leben zu ermöglichen.

Mdaonna, Familie, AP

Madonna mit ihrer neuen Jahre alten Tochter Lourdes und dem sechsjährigen Sohn Rocco - und dem 13 Monate alten David aus Malawi

(Foto: Foto: AP)

Zuvor hatte er allerdings geklagt, dass man ihm verheimlicht habe, dass er nicht mehr Davids Vater sein werde. Dabei hatte er, ganz zu Beginn, der Adoption zugestimmt, damit sein Sohn es einmal besser haben sollte als er.

Einem armen Bauern wird von einem reichen Popstar das Kind weggenommen. Madonna hat innerhalb weniger Wochen ein Kind adoptiert, und das entgegen malawischer Gesetze und internationaler Gepflogenheiten.

Konnte sie es nur wegen ihres Geldes? Zielte der amerikanische Superstar auf den PR-Effekt der Adoption eines kleinen Schwarzen? Oder hat sie David, aus dem sonst wohl ebenfalls ein armer Bauer würde, aus Nächstenliebe aufgenommen? Und entspricht es dem Wohl des Kindes, wenn es aus seiner gewohnten Umgebung, auch wenn diese ein Heim ist, in eine fremde Glitzerwelt verpflanzt wird?

Strenge Richtlinien

Das Wohl des Kindes steht inzwischen im Zentrum der Adoptionsfrage. Deshalb werden Eltern, die ein Kind aufnehmen wollen, auf Herz und Nieren geprüft. Sie dürfen nicht zu alt sein - eine Generation ist die Richtschnur, was in etwa heißt mindestens 25 und höchstens 40 Jahre sollte der Altersabstand betragen. Sie müssen ein gesichertes Einkommen haben, in geordneten Verhältnissen leben, und sie dürfen nicht vorbestraft sein.

Adoptieren wird aber nicht nur wegen der gestiegenen Anforderungen immer schwieriger. Die Zahl der in Industrieländern freigegebenen Kinder sinkt stetig. Zwar wurden in Deutschland im Jahr 2005 immerhin knapp 4800 Kinder und Jugendliche adoptiert, doch in sechs von zehn Fällen von einem Stiefelternteil oder von Verwandten.

Seit 1993 hat sich die Zahl der Adoptionen um 45 Prozent verringert, so meldete kürzlich das Statistische Bundesamt. Drei von zehn Kindern besitzen keinen deutschen Pass - das heißt, fast alle Fremdadoptionen finden inzwischen im Ausland statt. Überraschend ist das nicht, denn auf jeden zur Adoption vorgemerkten deutschen Minderjährigen warten zwölf Eltern.

Trend zur Auslandsadoption

In Deutschland und auch weltweit geht daher der Trend zur Auslandsadoption. Genaue Zahlen gibt es zwar nicht, man weiß aber, dass die Fälle zunehmen. Während Kinderhilfsorganisationen wie Terre des Hommes "Adoptionstourismus" anprangern, sehen die Betroffenen die Reise nach Moskau, Bogotá oder Kapstadt inzwischen oft als letzte Chance. Mitnichten können sie aber dort einfach ins Waisenhaus gehen und sich ein Kind aussuchen. Zum einen müssen deutsche Eltern auch nach deutschem Gesetz adoptionsfähig sein. Zum anderen schreibt die Haager Konvention von 1993 strenge Regeln vor.

Insbesondere müssen ausländische Behörden sicherstellen, dass keine einheimischen Eltern bereitstehen. Alle Fälle werden zentral geprüft, Adoptionsgeschäfte mit Privatpersonen oder Heimen sind verboten. Deutschland ist dem Haager Abkommen 2002 beigetreten. Auslandsadoptionen sind daher meist eine Strapaze.

"Es kostet wahnsinnig viel Zeit", sagt zum Beispiel Christian aus München, man bewege sich stets im Blindflug und sei auf die Hilfe anderer angewiesen. Der Journalist und seine Frau haben es gar nicht in Deutschland versucht, weil sie mit Ende 30 ohnehin an der Altersgrenze waren. Zudem lebten sie vorübergehend im europäischen Ausland. In etlichen Ländern hat das Paar es vergeblich probiert: Zuerst in China, doch "plötzlich hieß es, China geht nicht wegen eines bilateralen Abkommens mit Deutschland", erzählt Christian.

In Kolumbien und Ecuador seien sie "wegen bürokratischer Probleme" gescheitert, bis sie schließlich auf Thailand kamen. "Dann ging es doch schnell". Im Oktober 2005 erfuhren Christian und seine Frau, dass es das Waisenkind Tim für sie gebe. Dass sie inzwischen entgegen ärztlicher Prognosen schwanger war, änderte nichts an dem Entschluss. Sie mussten sich schnell entscheiden - anhand eines Fotos und ein paar dürrer Informationen über den damals zehn Monate alten Jungen. Drei Monate später holten sie Tim im Waisenhaus von Bangkok ab.

Weltreise zum Wunschkind

Müde, aber glücklich

·: Ein kleines, thailändisches Mädchen wartet in Bangkok auf Adoptiveltern

Ein kleines, thailändisches Mädchen wartet in Bangkok auf Adoptiveltern

(Foto: Foto: Reuters)

Selbst in den USA, wo Auslandsadoptionen laxer gehandhabt werden, weil das Land der Haager Konvention noch nicht beigetreten ist, kann man in der Regel nicht einfach ein Kind aus dem Ausland holen. Dan und seine Frau Mary etwa waren nach strapaziösen und erfolglosen Fruchtbarkeitsbehandlungen vier Jahre lang als potentielle Adoptiveltern registriert, ohne dass das Wissenschaftlerpaar jemals ein einheimisches Kind angeboten bekommen hätte.

Eines Tages stießen sie auf eine Selbsthilfegruppe, die gute Kontakte zu einer Beratungsorganisation für Adoptionen in Europa hatte. Sie entschieden sich für Russland. Nach einiger Zeit schickte man ihnen das Foto eines fünf Monate alten Waisen aus einem Heim in Machatschkala am Kaspischen Meer. Vier Monate später flogen sie hin. "Wir mussten zum Gericht und belegen, dass wir gute Eltern sind", sagt Dan, "es war ein enormer Aufwand". Rückflug nach Hause, sechs Wochen später wieder nach Russland, um Michael abzuholen. "Seitdem sind wir müde, aber glücklich", sagt Dan.

Lukrative Geschäfte mit Kindern

Russland allerdings ist Kinderhilfsorganisationen wie Terre des Hommes ein Dorn im Auge. Denn das Land hat auch die Haager Konvention nicht unterzeichnet. Zugleich lässt grassierender Alkoholismus und Verarmung der Menschen die Zahl der Heimkinder rapide ansteigen. Manche Heime stehen im Verdacht, lukrative Geschäfte mit Kindern zu machen.

Auch deshalb fragte Terre des Hommes nach, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 2004 die kleine Victoria aus einem Heim in St. Petersburg adoptierte. Schröder drohte mit Unterlassungsklage. Der Fall durfte nicht weiter diskutiert werden - doch die Gesetzeslücke bleibt, monieren Kinderschützer.

Ebenso bleibt ein Graben zwischen Eltern, die sich sehnsüchtig ein Kind wünschen, und Fachleuten, die vor Adoptionstourismus warnen. Sie halten es etwa für einen "Mythos, dass Millionen von Kindern in Heimen ihr Dasein fristen", wie Michael Heuer von Terre des Hommes sagt. Da seien viele ältere und behinderte Kinder dabei, solche also, die viele Eltern nicht unbedingt adoptieren wollen.

Ist eine Adoption immer besser als ein Heimschicksal? Wohl nicht. Aber auch nicht immer schlechter. Man kann es wohl nur von Fall zu Fall entscheiden. Und Madonna? Hat sie sich nun David regelrecht gekauft? Sicher ist, dass ein Gericht in Malawi ihr eine Ausnahme von den strengen Adoptionsregeln gewährte.

Wohl auch weil der Popstar zuvor drei Millionen Dollar für das Waisenhaus, in dem auch David lebte, gespendet hatte. Gegen Madonna haben nun Menschrechtsgruppen Klage erhoben. Das will Davids Vater nicht. Yohane Banda, der seinen Sohn zwei Mal monatlich im Heim besuchte, sagt, er werde ihn vermissen. Aber für David sei es besser so.

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