Weiberfastnacht:Warum es Männern an den Kragen geht

Wenn am Faschings-Donnerstag die Schlipse fallen, richtet sich die Schere in der Hand der Frau nicht gegen eine Insignie des Geschlechts, sondern der Macht.

Von Markus Schulte von Drach

Wenn an Weiberfastnacht die Frauen die Rathäuser stürmen und dabei jenen Männern die Krawatten abschneiden, die sich an diesem Tag trauen, den Halsschmuck zu tragen, dann hat das - zumindest historisch - nichts mit einer symbolischen Kastration zu tun.

Weiberfastnacht

Auch wenn die Krawatte kein Statussymbol mehr ist - sie muss weg.

(Foto: Foto: AP)

Vielmehr stand die Krawatte früher als Status-Symbol für eine gehobene Stellung in Ämtern und Betrieben - eine Position, die fast ausschließlich den Männern vorbehalten war.

Das Abschneiden dieses Symbols stand somit für die Aufhebung des Rangunterschiedes zwischen Chef und Angestellter, so der Historiker Wolfgang Herborn vom Institut für Rheinische Landeskunde der Universität Bonn.

Die heutige Form dieser Demonstration gegen die Machtverhältnisse, der Sturm auf die Rathäuser, hat seinen Ursprung vermutlich im Bonner Stadtteil Beuel.

Viele Frauen dort arbeiteten als Wäscherinnen und Bleicherinnen für die wohlhabenderen Bürger in Bonn und Köln, ihre Männer waren für den Transport der Wäsche in die Städte zuständig.

Männer in die Mangel nehmen

1824 hatten die Waschfrauen genug davon, dass ihre Männer den Karneval dort feiern durften, sie aber daheim bleiben mussten. Während also am schmutzigen Donnerstag die Männer unterwegs waren, gründeten die Frauen das "Alte Beueler Damenkommitee".

Sie trafen sich zum Kaffeeklatsch, tauschten sich über ihre Belastungen und über die Verfehlungen ihrer besseren Hälften aus und beschlossen, an diesem Tag nicht die Wäsche, sondern ihre Männer "in die Mangel zu nehmen". Und sie übernahmen zunehmend auch die Kontrolle über die Fastnachts-Feierlichkeiten.

Schließlich war dieser Tag schon seit Hunderten von Jahren der Feiertag der Frauen, an dem diese mancherorts das Recht eingeräumt bekamen, auch mal den Männern zu befehlen.

Seit den fünfziger Jahren erstürmen die so genannten "Wiever" des "Alten Beuler Damenkommitees" - unterstützt von den später gegründeten Vereinen anderer Stadtteile jedes Jahr das Rathaus von Beuel. Seit 1958 werden sie von einer Wäscheprinzessin unterstützt.

Von hier aus breitete sich die Übernahme des städtischen Macht-Zentrums während der Weiberfastnacht durch die Frauen in Deutschland aus - zusammen mit dem neuen Brauch des Krawatten-Abschneidens.

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