Wegwerfen statt Austragen:Wenn Postboten Briefe horten

In Baden-Württemberg hat ein 27-jähriger Tausende Briefe nicht ausgetragen, sondern zu Hause deponiert. Es ist nicht der einzige Fall dieser Art.

Es ist so eine Sache mit den Briefen. Manchmal wünscht man sich, sie würden nie kommen, etwa dann, wenn sie vom Finanzamt sind. An anderen Tagen kann man es gar nicht erwarten, bis der ersehnte Umschlag von Oma endlich im Kasten liegt - mit einem kleinen Scheinchen für die arme Studentin.

Hin und wieder erfüllen Postboten einem den Wunsch, dass unerwünschte Rechnungen ausbleiben. Wenn sie die Briefe nämlich nicht zum Empfänger bringen, sondern mit nach Hause nehmen. An diesem Mittwoch erst wurde wieder ein solcher Fall bekannt: Ein 27-Jähriger hatte Tausende von Briefen nicht ausgeliefert, sondern in seinem Keller gebunkert. Der älteste Brief ist dreieinhalb Jahre alt.

Der junge Mann aus Jettingen in Baden-Württemberg ist nicht der einzige Briefträger, der Post gehortet hat. Erst vor einer Woche kam die Polizei einem Boten auf die Schliche, der in einem Kölner Keller eine Tonne Briefe gelagert hatte. Den Stapel von Kisten entdeckte die Hausbesitzerin durch Zufall, als sie die Kellerräume nach einem Wasserrohrbruch inspizierte. Ebenfalls spektakulär war ein Fall im November im niederländischen Eelde: Dort fanden sich in der Wohnung einer 27-jährigen Briefträgerin mehr als 13 000 Briefe.

Aber warum tun Postboten das?

Bei der Deutschen Post heißt es nur, man führe keine Statistik über Briefe hortende Postboten. So etwas komme höchst selten vor und die Gründe seien in jedem EInzelfall unterschiedlich. Zumindest ein bisschen mehr sagt die Deutsche Postgewerkschaft: "Ich würde schätzen, es gibt bundesweit ungefähr zwei Fälle pro Jahr", so ein Sprecher. Aber auch er kann über die Ursachen nur spekulieren - denkbar seien psychische Erkrankungen, Faulheit oder Überforderung.

In Zeitungsberichten sind vereinzelt Aussagen von Postboten zu finden, die bei Polizeivernehmungen angaben, sie hätten sich überfordert gefühlt. Doch der Gewerkschaftssprecher meint: "Einen Zusammenhang, dass die Arbeitsbelastung für die Briefträger größer geworden ist und so etwas deswegen öfter passiert, kann man nicht herstellen."

In jedem Falle wird es für viele Tausend Menschen in Deutschland demnächst unerwartete Weihnachtspost geben. Denn die gefundenen Briefe werden nun alle zugestellt. Vielleicht erhält der ein oder andere neben alten Rechnungen ja noch einen Liebesbrief - oder mit dreijähriger Verspätung noch ein Scheinchen von Oma.

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