Waldbrände in Russland:Flammen vor Atomanlagen

Im Umland Moskaus bedrohen Flammen ein atomares Zentrum. Dort herrscht Notstand. In der russischen Hauptstadt ist jeder Atemzug ein Gesundheitsrisiko: Durch die Rekordhitze und die Torfbrände ist die Konzentration an Kohlenmonoxid in der Luft dramatisch erhöht.

Sie tragen Mundschutz, halten sich feuchte Tücher vors Gesicht - doch vor dem beißenden Smog, der über ihrer Stadt hängt, gibt es für die Moskowiter kein Entrinnen. Die andauernde Hitze und die Torfbrände rund um die russische Hauptstadt haben die Luft vergiftet - jeder Atemzug ist ein Gesundheitsrisiko: Die Sterblichkeitsrate in Moskau hat sich verdoppelt.

Waldbrände in Russland - Smog in Moskau, dpa

Vergiftete Luft: Ohne Atemmaske wagen sich die Moskowiter derzeit nicht aus ihren Häusern.

(Foto: dpa)

Konzentration von Kohlenmonoxid

Von 700 Toten täglich berichtet der Chef der Moskauer Gesundheitsbehörde, Andrej Selzowski. Normalerweise liege die Zahl bei 360 bis 380 Toten pro Tag. Die Konzentration des giftigen Kohlenmonoxids in der Luft überschreitet den zulässigen Grenzwert in Moskau derzeit um mehr als das Sechsfache.

Nach Angaben von Meteorologen ist vor Mitte der Woche nicht mit einer Besserung zu rechnen. In Moskau herrschen seit Wochen Temperaturen von knapp 40 Grad - Experten sprechen mittlerweile von einer Jahrtausendhitze. "Seit der Gründung unseres Landes, also in den vergangenen tausend Jahren, ist eine vergleichbare Hitzewelle weder von uns noch von unseren Vorfahren beobachtet worden", sagte der Chef des staatlichen Wetterdienstes Rosgidromet im russischen Fernsehen.

Angesichts der prekären Lage in der Millionenmetropole hat nun auch Bürgermeister Juri Luschkow reagiert: Er brach am Sonntag seinen Urlaub ab. Zuvor hatte sein Sprecher eine vorzeitige Rückkehr Luschkows nach Moskau mit der Begründung abgelehnt, die Torfbrände seien ein Problem des Umlandes und nicht der Stadt.

Landesweit lodern noch immer mehr als 500 Wald- und Torffeuer. Im europäischen Teil des Landes ist die Lage am schwierigsten: Betroffen sind nach Einschätzung des Zivilschutzministeriums vor allem das Gebiet um Nischni Nowgorod rund 400 Kilometer östlich von Moskau sowie die Umgebung der Hauptstadt selbst.

Die giftige Rauchwolke hat die Fußball-Klubs der Stadt zur Flucht aus der russischen Metropole veranlasst. ZSKA Moskau wird sich bis zum 11. August in St. Petersburg auf die kommenden Spiele vorbereiten. Spartak Moskau ist nach einem Zwischenstopp in Estland nach Jekaterinburg ausgewichen. Auch Dynamo Moskau, Klub von Kevin Kuranyi, will Moskau wegen der Rauchwolke verlassen und sucht derzeit nach einem geeigneten Trainingsgelände.

Wegen der anhaltenden Brände hatte die russische Fußball-Liga das für vergangenen Sonntag angesetzte Derby zwischen Dynamo und Pokalsieger ZSKA abgesagt. Auch die Begegnung zwischen Spartak Moskau und Tabellenführer Zenit St. Petersburg musste verschoben werden. Das Länderspiel Russlands gegen Bulgarien am kommenden Mittwoch wurde von Moskau nach St. Petersburg verlegt.

Feuer bedrohen Atomanlagen

Immer wieder sind auch die zahlreichen Atomanlagen des Landes von den Flammen bedroht: Angesichts einer herannahenden Feuersbrunst haben die russischen Behörden in der Umgebung der Wiederaufbereitungsanlage Majak im Ural den Notstand verhängt.

Die Behörden der Stadt Osjorsk teilten in einer Erklärung mit, die Feuer näherten sich der Anlage, in der atomare Abfälle gelagert und wiederaufbereitet werden. Der Chef der Verwaltung habe "wegen der Ausbreitung der Brände am 6. August den Notstand in den Wäldern und Parks der Stadt Osjorsk verhängt", heißt in dem am Montag veröffentlichten Kommuniqué.

Majak war 1957 Schauplatz der größten Atomkatastrophe vor Tschernobyl im Jahr 1986. In Folge des sogenannten Kyschtym-Unfalls starben nach offiziellen Angaben 200 Menschen. Die radioaktive Strahlung verseuchte ein Gebiet von etwa 20.000 Quadratkilometern.

Am Sonntag hatte Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu die verstärkte Brandbekämpfung in der Nähe des ebenfalls im Ural gelegenen Atomforschungszentrums Sneschinsk angeordnet. Bereits in der vergangenen Woche hatten die Brände das wichtigste Atomwaffen-Forschungszentrum bei Sarow, etwa 500 Kilometer östlich der Hauptstadt Moskau, bedroht.

Unterdessen trifft immer mehr internationale Hilfe in Russland ein. Deutschland versprach 100.000 Atemschutzmasken sowie Gerät zur Brandbekämpfung. Die französische Regierung schickte ein Löschflugzeug sowie 120 Feuerwehrleute. Nahe Moskau kämpfen 100 bulgarische Spezialisten gemeinsam mit russischen Einsatzkräften gegen die Flammen. Auch Italien und Polen schickten Hilfe.

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