Waldbrände:Die griechische Krankheit

Waldbrände gibt es in jedem Jahr in Griechenland, aber heuer ist alles anders, weil es so viele Tote gibt und die Verwüstungen so groß sind. Der Feuerteufel, der in den Wäldern wütet, ist kein unbekannter Feind - er steckt im System.

Christiane Schlötzer

Ein Land im Ausnahmezustand. Fußballspiele fallen aus, Wahlkampf-veranstaltungen ebenso. Stattdessen gibt es Begräbnisse, staatliche Trauerbeflaggung und hilflose Erklärungsversuche für eine nationale Katastrophe.

Griechenland erlebt einen Jahrhundertsommer, die Hitze war schon seit Wochen unerträglich, und nun lodert und brennt es fast überall und wie nie zuvor. Waldbrände gibt es in jedem Jahr in Griechenland, wie in anderen Anrainerstaaten des Mittelmeers.

Aber heuer ist alles anders, weil es so viele Tote gibt, die Verwüstungen so groß sind, und weil nun nicht mehr vertuscht werden kann, dass die Ursachen des Umweltfiaskos etwas über den Zustand des Landes, seiner Gesellschaft und seiner politischen Klasse aussagen.

Es ist verräterisch, wenn griechische Politiker nun von einer "biblischen Katastrophe" sprechen. Gegen von Gott gesandte Plagen ist nämlich wenig auszurichten. Ein Gutteil des Dramas aber ist von Menschen gemacht. Der globale Klimawandel bringt an Europas Südrändern zusätzlichen Sonnenstress, aber die griechische Malaise ist keine reine Sommergrippe, deren Fieberschübe man bei höheren Temperaturen stärker spürt.

Bitter und wütend

Die Krankheitsursachen sind: Griechenland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mit zunehmendem Wohlstand zu einer extrem materialistischen und individualistischen Gesellschaft entwickelt. Der Bauboom im Land nimmt dabei kaum Rücksicht auf die Natur. Am liebsten baut jeder mitten im Wald oder ganz nah am Meer, ob legal oder illegal.

Der Staat ermuntert zu solchem Raubbau, indem er den Landfrevel nur selten bestraft. Klientelwirtschaft und Korruption sind auch auf kommunaler Ebene so weit verbreitet, dass der Sünder selten Sanktionen fürchten muss. Umweltpolitik ist dagegen das Stiefkind aller Parteien.

Sowohl die einstigen linken Dauerregenten der Pasok als auch die Konservativen von Premier Kostas Karamanlis haben es - EU-Mahnungen zum Trotz - versäumt, ein landesweites Kataster aufzubauen, das allen verbindlich sagt, wem welches Land gehört und ob man darauf bauen darf oder nicht. Das Versäumnis ist geradezu eine Einladung für Brandstifter, die bisweilen sogar im Auftrag großer Baukonsortien unterwegs sind, um Wald für Villengebiete abzufackeln.

Der Blick auf die toten Bäume schmerzt, er macht die Menschen bitter und wütend. Viele sagen, nun müsse alles anders werden, die Katastrophe dürfe sich nicht wiederholen. Aber die Rezepte, die den Politikern bisher eingefallen sind, lassen kaum eine gründliche Kur für die griechische Krankheit erwarten.

Der Minister für öffentliche Ordnung phantasiert von einer "asymmetrischen Bedrohung" für sein Land, ein Begriff, der gewöhnlich für Terroristen verwendet wird. Das soll wohl heißen: Es gibt einen Feind, der ist fremd und unbekannt und zündet das Land an. Die Wahrheit ist viel beunruhigender: Der Feuerteufel steckt im System, und der dickste Rauch kann dies nicht mehr vernebeln.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: