Wahl des neuen Jesuiten-Generals:Auf der Suche nach dem schwarzen Papst

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Die Jesuiten gelten als Avantgarde der katholischen Kirche. Nun wählt der Orden in einem konklaveähnlichen Verfahren einen neuen Leiter - womöglich den ersten aus der Dritten Welt.

Stefan Ulrich

Die Jobbeschreibung klingt genau so, wie man sich seinen Chef wünscht: Sorgfältig und eifrig soll er sein, mutig und ausdauernd, voller Demut, Geradlinigkeit und Nächstenliebe, gütig, wenn möglich, und streng, wenn nötig. Und natürlich hat er in all seinem Tun in enger Verbindung mit Gott zu stehen.

Jesuiten beim Gebet, bevor sie zur Wahl des neuen Generals zusammenkommen (Foto: Foto: AFP)

Das Stellenprofil geht auf Ignatius von Loyola zurück, der einst das Verfahren zur Wahl eines neuen Jesuiten-Generals prägte. Der frühere Offizier und spätere Heilige aus dem Baskenland hat den Orden vor fast einem halben Jahrtausend als Eliteeinheit der Päpste und geistige Vorhut der Gegenreformation gegründet.

Nun sind in Rom 226 Delegierte aus den Ordensprovinzen in aller Welt zusammengekommen, um den 29. Nachfolger des Ignatius zu wählen und den Kurs der "Gesellschaft Jesu" zu bestimmen.

Eine Avantgarde

"Was da abgeht, hat große Auswirkungen auf die ganze katholische Kirche", sagt ein gut informierter Monsignore in Rom. "Denn die Jesuiten waren und sind - heute wohl mehr denn je - eine Avantgarde. Sie nehmen äußerst sensibel die Fragestellungen der jeweiligen Zeit auf."

Derzeit seien das etwa der Dialog mit dem Islam, das Verhältnis zu China, der Umweltschutz, die Verwerfungen der Globalisierung und die Stellung der Christen in einer sehr weltlichen Gesellschaft - alles Themen also, die auch Papst Benedikt besonders beschäftigten.

Überalterter Orden

Die Jesuiten dürften daher weiter wegweisend für den Katholizismus wirken, auch wenn sie, wie andere Orden, besonders im Westen an Überalterung leiden. 36.000 Mitglieder hatten sie 1965. Nun sind es noch gut die Hälfte. In Asien und Afrika aber wächst die Gesellschaft Jesu teilweise stark.

Womöglich, so raunen die Auguren, wird sie nun erstmals einen Ordensgeneral aus der Dritten Welt wählen. Damit wären die Jesuiten wieder ihrer Zeit - und dem Vatikan - voraus.

"Schwarzer Papst" wird der Jesuitengeneral genannt; wegen seiner Kleidung, vor allem aber, weil er, wie der Papst im Vatikan, in einem konklaveähnlichen Verfahren auf Lebenszeit gewählt wird und über viel Macht in einer straff geführten Organisation verfügt. Normalerweise wird das Amt nur durch den Tod des alten Generals frei.

Nun aber tritt ein Chef der Jesuiten zu Lebzeiten ab: Peter-Hans Kolvenbach, der den größten katholischen Männerorden seit 24 Jahren führt, gilt als erschöpft und amtsmüde.

Der Sohn eines Holländers und einer Italienerin übernahm die Ordensleitung in einer schwierigen Zeit, als die Jesuiten wegen ihrer Nähe zu Sozialrevolutionären in Lateinamerika und ihrer Offenheit für andere Religionen, Kulturen und die laizistische Welt oft im Streit mit der Kurie lagen.

Die Glaubenskongregation unter Joseph Ratzinger maßregelte etliche Jesuiten, Johannes Paul II. rügte den Orden. Etliche Mitglieder traten frustriert aus.

Der besondere Gehorsam im Umgang mit dem Papst, den die Jesuiten geloben, und ihre geistige Offenheit führten zu Spannungen, die die Gesellschaft Jesu erschütterten. Diese Zeit wirkt nach.

So bemängelte Kurienkardinal Franc Rode am Montag beim Eröffnungsgottesdienst des Jesuiten-Treffens eine Entfremdung von der katholischen Hierarchie. Die Jesuiten müssten ihren "Sensus für die Kirche" stärken.

Andererseits heißt es in Kirchenkreisen, Kolvenbach habe ein gutes Verhältnis zu Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst, aufgebaut. Der Pontifex wisse das intellektuelle Engagement des Ordens zu schätzen und wolle es weiter nutzen.

So habe er in Pater Federico Lombardi einen Jesuiten zu seinem Sprecher gemacht. "Man hat den Eindruck, dass sich die Jesuiten wieder erholt haben und auch im Vatikan wieder stärker vertreten sind", sagt ein Kirchenmann.

Hitchcock und Castro geprägt

Lombardi gilt als einer der Kandidaten bei der Wahl des schwarzen Papstes, die um den nächsten Samstag herum erfolgen soll. Informationen über die Stimmung im Konklave dringen kaum nach Außen.

Die Delegierten beschäftigen sich mit der Lage ihres Ordens. Sie diskutieren ihr Verhältnis zum Papst, beraten über ihre Zusammenarbeit mit Laien und debattieren die Grundsätze ihrer Arbeit.

Traditionell sind die Jesuiten in der Ausbildung stark. Durch ihre Schulen und Hochschulen - sie leiten 665 Bildungseinrichtungen in 65 Ländern und wirken an unzähligen anderen mit - prägen sie Millionen Menschen. Dabei formen sie die künftigen Eliten.

James Joyce und Alfred Hitchcock wurden ebenso von Jesuiten geprägt wie Heiner Geißler und Fidel Castro. Besonders in den Medien sind die Ordensleute, die nicht in Klöstern leben, präsent. Weitere Schwerpunkte sind die Hilfe für die Ärmsten, etwa Flüchtlinge und Migranten, und die Mission.

Kolvenbach forderte jetzt , von der derzeitigen Lagebesprechung "muss der Funke ausgehen: Schaut, das ist der Jesuit, den wir brauchen". Mit der Wahl des neuen Generals werde der Orden dann zeigen, was er sich von der Zukunft erhoffe. "Einen Propheten oder einen Weisen, einen Erneuerer oder einen Maßhalter, einen Kontemplativen oder einen Aktiven."

Die Delegierten werden an ihrem Konferenzort im Borgo S. Spirito beim Vatikan kommende Woche in die entscheidende Phase treten. Dann beginnen die traditionellen, viertägigen "murmurationes", das Gemurmel.

Isoliert von der Außenwelt tauschen sie sich in Zweiergesprächen über Kandidaten aus. Dabei darf kein Wahlkampf gemacht werden. Eine Kommission wacht darüber, dass niemand Kampagnen betreibt. Schließlich soll nicht Ehrgeiz, sondern der Wille Gottes zur Bestimmung des Generals führen.

Die eigentliche Wahl erfolgt geheim - und erstmals elektronisch per Knopfdruck. Das Ergebnis wird sofort dem Papst mitgeteilt. Erst danach erfährt die Welt, wer die Elitetruppe der Kirche fortan führt - mutig und demütig, gütig und streng, wie es der heilige Ignatius wünscht.

© SZ vom 12.01.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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