Waffengewalt in den USA:Land der Schießereien

Waffenhandel in den USA

Ein Waffenhändler in Wichita, Kansas.

(Foto: Larry W. Smith/dpa)

In den USA sind mehr Waffen in Privatbesitz als in jedem anderen Land der Welt. Schießereien mit vielen Opfern werden genau gezählt. Ein Blick in düstere Statistiken.

Von Jana Stegemann und Katharina Brunner

Am Vormittag des 14. Dezember 2012 erlebt Amerika einen der schlimmsten Amokläufe seiner Geschichte. Der 20-jährige Adam Lanza erschießt an der Sandy-Hook-Grundschule erst seine Mutter und richtet dann ein Massaker unter Schülern und Lehrern an: Die Kugeln töten 20 Kinder und sechs Erwachsene, Lanza richtet sich selbst. Die Tat sorgt für erbitterte Debatten, ob die Waffengesetze verschärft werden müssen.

Was ist seitdem passiert? Bei mehr als tausend Schießereien sind mehr als tausend Menschen getötet und mehr als 3000 verletzt worden.

Am Mittwoch erlebt das Land das zweitschlimmste Massaker seit dem Sandy-Hook-Amoklauf. Bei einem Angriff auf eine Weihnachtsfeier in San Bernardino (Kalifornien) erschießen zwei Angreifer 14 Menschen. Über das Motiv der Täter wird gerätselt, die Polizei erschießt beide auf der Flucht.

"Wir wissen, dass wir jetzt ein Muster von Massenschießereien in diesem Land haben, das es nirgendwo sonst auf der Welt gibt", kommentiert Präsident Barack Obama den Vorfall.

Die Frage ist längt nicht mehr, ob es bald wieder so ein Massaker geben wird, sondern wo und wann es stattfinden wird und wie viele Menschen sterben werden.

Wissenschaftler, Behörden und Aktivisten sind sich aber nicht einig, ob die Zahl der Massenschießereien in den vergangenen Jahren tatsächlich kontinuierlich angestiegen ist.

Noch fehlen viele Daten, die bei der Antwort helfen könnten. Doch einige liegen vor. Auf der Webseite Mass Shooting Tracker werden auf Basis von Medienberichten Informationen über jede Massenschießerei in den USA seit 2013 gesammelt, bei der mindestens vier Menschen getötet wurden. Die Sammlung zeigt: Die Zahl der Vorfälle steigt besorgniserregend schnell.

  • 2014 wurden so 336 Massenschießereien mit 383 Toten und 1239 Verletzten gezählt.
  • In den 336 Tagen dieses Jahres haben die USA bisher 353 Massenschießereien erlebt - also mehr als eine Schießerei pro Tag. Insgesamt starben in 2015 bisher 462 Menschen infolge der Taten, 1314 wurden verletzt.

Eine Untersuchung der Harvard University hat herausgefunden, dass die zeitlichen Abstände zwischen solchen "mass shootings" immer kleiner werden: Zwischen 1982 und 2011 ereignete sich durchschnittlich alle 200 Tage eine Massenschießerei, zwischen 2011 und 2014 schon alle 64 Tage. Ein "mass shooting" ist für die Experten eine Schießerei, bei der mehr als vier Menschen getötet werden. Ausgeschlossen werden Taten, die mit Banden- und Drogenkriminalität zu tun haben. Ähnliche Zahlen liefert auch ein Bericht des FBI (hier im Original) aus dem vergangenen Jahr. Er bezieht Schießereien mit ein, bei denen es mindestens drei Tote gab.

Anders sieht der Kriminologe James Alan Fox von der Northeastern University in Boston die Situation in den USA. Seinen Untersuchungen zufolge gibt es keinen "bemerkenswerten" Anstieg von Massenschießereien. Er fasst den Begriff "mass shooting" auch weiter. Fox argumentiert, dass es bei solchen Schießereien "völlig egal ist, ob die Opfer in Privathäusern oder in der Öffentlichkeit getötet wurden". Außerdem sei es "völlig unerheblich, ob der Angreifer ein Familienmitglied oder ein Fremder war".

Der Mass Shooting Tracker geht noch weiter. Er zählt jede Schießerei in den USA, in der auf mehr als vier Menschen geschossen wurde. Als Begründung dafür ziehen die Macher hinter der Webseite den Amoklauf 2012 in einem Nachtclub in Tennessee, wo der 30-jährige Travis Steed wild um sich schoss und 20 Menschen traf: "Wie durch ein Wunder starb nur einer. Dass dieser Vorfall nicht unter den Begriff Massenschießerei fallen soll, ist für uns absurd."

Ähnliche Datensätze sammelt auch Gun Violence Archive. Dessen Leiter, Ted Alcorn, sagte der New York Times, nicht Massenschießereien seien das Hauptproblem: "In Kalifornien sind 14 Menschen gestorben, das ist schrecklich, ja. Aber heute sind auch noch 88 weitere Menschen in den USA durch Waffenmissbrauch gestorben."

So viele Menschen sterben jedes Jahr durch Schusswaffen

"Mass shootings" seien aber nur ein winziger Teil eines viel größeren Problems, schreibt das US-Magazin Mother Jones. Bei diesen Verbrechen sei allerdings der psychologische Effekt größer, wegen der medialen Berichterstattung. Sie könnten eine gesellschaftliche Hysterie auslösen und der Bevölkerung das Gefühl geben, die öffentliche Sicherheit sei in Gefahr.

Allein im Jahr 2013 wurden in den USA mehr als 32 000 Menschen erschossen und fast 85 000 durch Schusswaffen verletzt. Damit sind die USA weltweit mit großem Abstand vorne: 2012 wurden landesweit 29,7 Tötungsdelikte mit Schusswaffen pro eine Million Einwohner verübt. Zum Vergleich: In der Schweiz sind es 7,7, in Canada 5,1 und in Deutschland 1,9.

Obwohl in den USA nur 4,4 Prozent der weltweiten Bevölkerung leben, gehören dieser 42 Prozent aller weltweit für den Privatbesitz vertriebenen Waffen. Statistiker gingen schon 2012 von 262 bis 310 Millionen aus.

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