Vorwurf der Vergewaltigung:Soraya und der Prinz

"Ich bin breit, ich glaube in meinem Glas war etwas": Eine Münchnerin wirft dem steinreichen saudischen Großinvestor Al Walid bin Talal vor, sich auf seiner Yacht an ihr vergangen zu haben.

Javier Cáceres

Man solle sie Soraya nennen, bittet sie noch, ehe sie sich zum Abschied aus dem Stuhl erhebt. Und wer wollte es der Frau auch verdenken, dass sie ihren wahren Namen nicht in der Zeitung lesen mag? Soraya, 23, Münchner Model mit spanischem und deutschem Pass, das für Hochglanzmagazine posiert und für Mailänder Firmen über den Catwalk läuft, hat sich mit einem der wohlhabendsten Männer der Welt angelegt: Sie bezichtigt den saudischen Prinzen Al Walid bin Talal bin Abdulaziz al Saud, den angeblich reichsten Araber überhaupt, sich im Sommer 2008 auf einer Yacht vor Ibiza an ihr vergangen zu haben - was dieser vehement bestreiten lässt.

Vorwurf der Vergewaltigung: Großinvestor Prinz Al Walid bin Talal (in Blau) ist ein Enkel des verstorbenen Gründers der Saud-Dynastie.

Großinvestor Prinz Al Walid bin Talal (in Blau) ist ein Enkel des verstorbenen Gründers der Saud-Dynastie.

(Foto: AFP)

Es ist Abend in Madrid, Soraya hat auf eine Terrasse in der Nähe des Bernabéu- Stadions geladen. Sie sitzt, die Haare zum Dutt hochgesteckt, den Körper mit einem Wollmantel geschützt, im Beisein einer Tante und eines Anwalts. 50 Minuten dauert ihr Monolog, den sie nur unterbricht, um am Eistee zu nippen. Es ist die Geschichte eines wiederkehrenden Albtraums aus schemenhaften Bildern.

Es war das erste Mal, sagt Soraya, dass sie nach Ibiza gefahren war. Sie wollte Urlaub machen, mit einer Freundin, die sie dann versetzte. Am Hafen lernte sie einen Spanier namens B. kennen, der ihr schöne Augen gemacht, dem sie aber sofort bedeutet habe, dass sie "nicht interessiert" war. Nummern tauschten sie dennoch aus. Und blieben in Kontakt.

B. arbeitete zu jener Zeit als Chauffeur für begüterte Araber, die ebenfalls auf der Insel Urlaub machten; die örtliche Presse sprach seinerzeit von einem wahren "Gipfel arabischer Prinzen" auf Luxusyachten. Einmal holte B. Soraya ab, in einer luxuriösen Limousine. "Mich hat das beeindruckt, dass ihm so ein Auto überlassen wurde", sagt sie heute. Einmal landeten sie vor einer der Yachten, der Pegasus, von der ein Mann herunterstieg, in jedem Arm zwei junge Frauen, die angeblich Prinzessinnen waren, und die ihn nicht davon abhielten, Soraya zu becircen: "Was macht ein so hübsches Mädchen im Hafen?" Dann sei sie aufs Boot gedrängt worden, wo der angebliche Charmeur auf dem Sonnendeck wartete.

Damals wusste sie nicht, um wen es sich handelte. Heute ist sie sich sicher, es war Prinz Al-Walid, Herr von Aktienpaketen von Weltkonzernen wie Rupert Murdochs News Corporation. Er habe versucht, sie zu küssen, sie habe sich gewehrt: "Ich weiß nicht wie, aber ich habe ihn von mir gestoßen." In voller Montur in den Jacuzzi, mit Handy und allem. Er sei von Untergebenen ausgelacht worden, auch sie selbst habe es kaum unterdrücken können, loszuprusten. Dann konnte sie die Yacht verlassen.

Ein paar Tage später erhielt sie einen Anruf der angeblichen Prinzessinnen. Ob sie nicht zu einer Geburtstagsparty in einer schicken Disco namens El Divino mitkommen wolle. Erst habe sie sich gesträubt, weil sie keine passende Kleidung dabei gehabt habe. Schließlich ließ sie sich doch überreden; die Prinzessinnen, sagt sie, waren sympathisch. Und vielleicht blendeten sie der Glamour und das Geld doch mehr, als sie heute zu verstehen geben will. "Ich war naiv", sagt sie. Ihre Tante sagt: "Sie ist es immer noch." Das würde zumindest erklären, warum sie in der Nacht vom 12. auf den 13. August in den VIP-Bereich des Divino ging. Was dort geschehen sein soll, ist Teil des Vernehmungsprotokolls.

Die Frauen schleppen sie auf die Yacht

"Ich glaube, dass man mir etwas ins Glas geschüttet hat. Nach zwei Schlucken fing ich an, mich seltsam zu fühlen. Sehr schwindlig. Wie in einem Traum." Sie lässt B. in der Nacht SMS-Botschaften zukommen, die auch die Polizei protokolliert: "Ich bin breit", heißt es in der ersten Textnachricht, in der nächsten schreibt sie: "Ich glaube, in meinem Glas war etwas." Ihren vermeintlichen Freundinnen will sie noch gesagt haben, sie wolle nach Hause. Doch diese hätten sie woanders hingeschleppt: auf eine 120 Meter lange Yacht namens Turama. Tagesmiete: 90.000 Euro.

Eine Orgie mit 30 Leuten, nackten Frauen und "einer immensen Menge an Drogen auf der Theke" habe sie wahrgenommen, sagt Soraya. Pillen, Pulver, solche Dinge. Irgendwann habe sie das Bewusstsein verloren, ehe sie ein Kuss geweckt habe - von einem Mann, der auf ihr lag. Im Vernehmungsprotokoll ist von starken Schmerzen im Intimbereich die Rede, davon, dass sie schließlich fliehen konnte. Tags drauf ging sie zur Polizei. Ein Amtsarzt fand Spermaspuren bei Soraya, doch keine Verletzungen im Intimbereich. Aber: in einer Urinprobe wurden Wirkstoffe namens Nordazepam, Metronidazol und Koffein gefunden. Sucht man im Netz nach Nordazepam, landet man rasch bei K.o.-Tropfen und "Date-Rape-Drugs".

Wurde sie also unwissentlich unter Drogen gesetzt? Welche Rolle spielte B. wirklich? Und vor allem: Wer war der Mann, der auf ihr lag? Für Soraya steht die Antwort fest. Klare Beweise für ihre Behauptung gibt es bisher nicht.

Die spanische Polizei jedenfalls wurde auf der Turama nicht vorstellig. Sie befragte lediglich Beamte, die für den Schutz einer "ausländischen Persönlichkeit" abgestellt worden waren - und die nichts Außergewöhnliches bemerkt haben wollen. Wer diese Persönlichkeit war, geht aus den Ermittlungsakten nicht hervor, ebensowenig, wer auf der Turama Passagier war. Soraya und ihre Mutter suchten lange auf eigene Faust nach dem möglichen Übeltäter, erst im Dezember 2008 stießen sie im Internet auf einen Film, in dem Soraya "zweifelsfrei" den Mann wiedererkannt haben will, der sie bedrängte: Prinz Al-Walid.

In einem Brief an die Behörden hat die Mutter von Soraya auch dem Amtsarzt schwere Vorwürfe gemacht: Dessen Untersuchungen seien oberflächlich gewesen. Gleiches gilt für die Arbeit der zuständigen Ermittlungsrichterin: Sie hatte 2010 die Akten zugeklappt, nachdem die saudischen Behörden ein Rechtshilfeersuchen zur Vernehmung von Al-Waleed abgelehnt hatten. Doch im Mai 2011 versetzte das Landgericht der Balearen der Ermittlungsrichterin eine Ohrfeige. Der Fall gehöre aufgerollt, angesichts der Indizien sei es "das Mindeste, Prinz Al-Walid als Beschuldigten" zu befragen. Nun muss ein neues Rechtshilfeersuchen an die Saudis ergehen.

Der Prinz lässt derweil nichts unversucht, die Vorwürfe öffentlich zu entkräften. Er ließ in diversen Ländern großflächige Zeitungsanzeigen schalten, in denen sein persönlicher Sicherheitschef versichert, "Seine Königliche Hoheit" sei vom 6. bis zum 28. August 2008, also zum fraglichen Zeitpunkt, in Frankreich gewesen. Weitere Zeugen: der Kapitän seiner eigenen Yacht, seine Ehefrau, weitere Familienangehörige, der Direktor eines Luxushotels in Cannes und "Hunderte mehr". Er legte sogar nahezu lückenlose Auszüge aus seinem Kalender und Kopien aus seinem Reisepass vor.

Wir respektieren die Unschuldsvermutung des Prinzen zutiefst", sagen Sorayas Anwälte von der Kanzlei Turiel-Beloqui: "Aber er sollte das, was er zu sagen hat, einem Richter sagen." Vor allem könne er alle Zweifel beseitigen, indem er eine DNA-Probe zur Verfügung stellt. Soraya sagt, sie hoffe, dass ihr Gerechtigkeit widerfährt. Den Glauben an die spanischen Behörden habe sie verloren. Sie hat nun auch in Augsburg Anzeige erstattet, in der Hoffnung, dass sich die deutsche Justiz ihrer Sache annimmt.

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