Vorwürfe gegen russische Behörden:Waldbrände in Sibirien schlimmer als offiziell angegeben

Im sibirischen Tomsk wüten seit Tagen verheerende Waldbrände. Umweltorganisationen und Anwohner erheben jetzt schwere Vorwürfe gegen die russischen Behörden: Sie sollen das wahre Ausmaß des Feuers verschwiegen haben - weil sie angeblich die Kosten für Hilfe scheuen.

Die verheerenden Brände in Russland wüten unerbittlich: Mehr als eine Million Hektar Waldfläche sollen schon in Flammen stehen. Das meldet die Umweltorganisation Greenpeace. Das wäre etwa 37 Mal so viel Fläche wie von den Behörden angegeben. Ein Sprecher der Organisation berief sich auf US-Satellitenaufnahmen, auf denen die Feuer in der Taiga und anderen Regionen des Landes sichtbar seien. Nach offiziellen Angaben sind hingegen lediglich knapp 27.000 Hektar Brandfläche betroffen.

Schwere Wald- und Torfbrände in Sibirien

Rauchschwaden steigen aus den brennenden Wäldern im Gebiet Tomsk in Sibirien auf. Mit Löschflugzeugen und Tausenden Feuerwehrleuten kämpft Russland  gegen schwere Wald- und Torfbrände in der Region.

(Foto: dpa)

Greenpeace sprach von einer "Katastrophe" und warf den Behörden vor, das wahre Ausmaß der Feuer zu verschleiern. Die offiziellen Zahlen seien eine "Untertreibung". Der Grund: Die Behörden scheuen angeblich die hohen Kosten für Lösch- und Hilfseinsätze.Nach Medienberichten fühlen sich viele Menschen in den Gebieten von den offiziellen Stellen im Stich gelassen und seien auf sich allein gestellt.

Vize-Gesundheitsminister Igor Kagramanjan zeigte sich nun engagiert und sagte nach einem Besuch in den besonders betroffenen Gebieten von Tomsk, Krasnojarsk und Kemerowo, dass den Menschen dort geholfen werden müsse. Wegen dichten Rauchs in vielen Orten wies er nach Angaben der Agentur Interfax die örtlichen Behörden an, Studenten von medizinischen Hochschulen zu Sondereinsätzen zu verpflichten.

Schon vor zwei Jahren verbnichtete eine Feuerwalze bei den bislang schwersten Wald- und Torfbränden der russischen Geschichte Tausende Häuser. Dutzende Menschen kamen ums Leben. Damals versank auch die russische Hauptstadt Moskau durch die Torfbrände des Umlandes tagelang in giftigem Smog.

Von der in diesem Jahr erneut andauernden Hitze- und Dürrewelle beeinträchtigt auch die Ernte des Landes. Die Behörden korrigierten die diejährige Prognose nach unten. Allein bei Weizen seien statt 53 nur noch höchstens 50 Millionen Tonnen zu erwarten, teilten Analysten in Moskau mit. Auch Mais und Gerste seien in Gefahr.

Experten: Brände weiten sich aus

Eine magere Ernte hätte Auswirkungen auf den Weltmarkt. Russland ist einer der größten Getreideexporteure. Das Riesenreich benötigt rund 75 Millionen Tonnen Getreide, um die eigenen Speicher zu füllen. Wegen der Hitze- und Dürrewelle gehen Experten aber davon aus, dass 2012 nur etwa 70 Millionen Tonnen geerntet werden könnten.

Auch für die betroffene Waldfläche sehen die Prognosen düster aus: Forstexperten warnten, dass sich die Brände wegen extremer Hitze und Trockenheit weiter ausbreiteten. Bedroht seien zunehmend auch Flächen im europäischen Teil Russlands. Dutzende Löschflugzeuge und Tausende Feuerwehrleute sind im Einsatz.

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