Vorfall im US-Bundesstaat Texas:So eskalierte die Verkehrskontrolle

Sandra Bland Texas Polizeigewalt USA

Memorial am Straßenrand: An der Stelle, an der Sandra Bland in eine verhängnisvolle Polizeikontrolle geriet, erinnern Blumen und ein Foto an die 28-Jährige.

(Foto: dpa)
  • Der Tod der 28-jährigen Sandra Blend in einer Gefängniszelle des US-Bundesstaats Texas wird von Ermittlern untersucht.
  • Die Frau war nach einer Verkehrskontrolle festgenommen worden.
  • Zwei Videos zeigen, wie das Zusammentreffen mit dem Polizisten eskalierte.

Rätsel um Tod in der Zelle

Sandra Blands Todesumstände sind umstritten. Die Afro-Amerikanerin aus Chicago wird am 10. Juli wegen eines nicht gesetzten Blinkers von einem Streifenpolizisten angehalten. Es entsteht ein heftiger Streit, die junge Frau wird festgenommen. Drei Tage später finden Gefängnismitarbeiter sie tot in ihrer Zelle. Alles sieht danach aus, als hätte sich die 28-Jährige mit einer Plastiktüte aufgehängt. Es war ein Suizid, sagt die Polizei. Bland sei getötet worden, sagt dagegen ihre Familie.

Videos zeigen Polizeikontrolle

In den offiziellen Polizeidokumenten steht, dass Bland wegen der Beleidigung eines Polizisten festgenommen wurde. Videoaufnahmen geben jetzt Aufschluss darüber, wie die Polizeikontrolle eskaliert ist. Ein etwa 50 Minuten langes Video, das die Behörden veröffentlicht haben, wurde von der Frontkamera des Streifenwagens aufgenommen. Etwa 20 Minuten davon zeigen die Auseinandersetzung zwischen Bland und dem Polizisten.

  • Zunächst ist zu sehen, wie Polizist Brian Encinia einem hellen Wagen folgt. Das Auto wechselt die Spur ohne zu blinken. Kurze Zeit später hält es, wohl auf das Stop-Signal des Polizisten hin, am rechten Straßenrand. Der Polizist tritt ans Beifahrerfenster und klärt die Fahrerin darüber auf, dass er ihr eine schriftliche Warnung geben muss, weil sie ihren Blinker nicht benutzt hat. Die beiden reden miteinander. Noch ist die Szene ruhig. Encinia geht wieder zu seinem Wagen zurück, um Blands Papiere zu überprüfen.
  • "Sind Sie ok?", fragt er, als er wieder neben ihrem Wagen steht - diesmal auf der Fahrerseite. "Ich warte auf Sie, das hier ist Ihr Job", antwortet Bland. "Sie wirken sehr gereizt", sagt Encinia. Bland bejaht. Sie habe die Fahrbahn nur gewechselt, um seinem Streifenwagen Platz zu machen. Sie sei gereizt, aber das würde ihn wohl nicht davon abhalten, ihr ein Ticket zu geben. "Sind Sie fertig?", fragt Encinia.
  • Dann bittet der Polizist die Frau, ihre Zigarette auszumachen. "Ich sitze in meinem eigenen Auto. Ich muss meine Zigarette nicht ausmachen", sagt Bland, nun hörbar gereizt. Encinia bittet sie, aus dem Wagen zu steigen. Sie weigert sich. Er öffnet die Fahrertür, stellt sich vor Bland. Die Diskussion wird lauter. "Steigen Sie aus, oder ich werde Sie hier rausziehen", brüllt Encinia und beugt sich, als sie sich weigert, in das Auto. "Fassen Sie mich nicht an, ich bin nicht festgenommen", schreit Bland. "Sie sind festgenommen", widerspricht der Polizist. Encinia fordert über Funk Verstärkung an, zieht seinen Taser - das Elektroschockgerät, das US-Polizisten mit sich führen - und hält ihn vor Bland. "Ich werde Sie anzünden" ["light you up" im Englischen], droht er. Sie solle nun endlich aussteigen.
  • Wüst schimpfend steigt die Frau aus dem Wagen. "Ich kann es nicht abwarten, vor Gericht zu gehen", sagt sie. Als Encinia sie laut auffordert, ihr Handy wegzulegen und sich umzudrehen, bezeichnet sie ihn mehrmals als "Arschloch" und "Pussy". Er befiehlt ihr brüllend, sich umzudrehen, legt ihr Handschellen an. Die beiden befinden sich nun außerhalb der Kamera, sind nur noch zu hören, nicht zu sehen. "Sie brechen mein Handgelenk", schreit Bland.
  • "Sie haben mich geschlagen. Sie haben meinen Kopf gegen den Boden geschlagen, ich kann nicht einmal etwas hören", mit diesen Worten ist Blands Stimme auf der Polizeiaufnahme zu vernehmen. Ein zweites Video, aufgenommen von einem Passanten, zeigt, wie der Polizist die Frau neben dem Gehsteig zu Boden drückt.

Polizist beurlaubt - Behörden untersuchen Todesumstände

In seinem Bericht schreibt Encinia, er habe Bland aus Sicherheitsgründen Handschellen angelegt. Sie habe nach seinem Bein getreten und versucht, ihn mit ihren Ellbogen zu attackieren.

Der Polizist wurde wegen des Vorfalls inzwischen beurlaubt. Behördendirektor Steven McCraw teilte mit, Encinia habe sich nicht an die Vorschriften gehalten, die unter anderem vorsehen, dass ein Polizist seinem Gegenüber mitteilt, warum er auf eine gewisse Weise handelt.

Nicht die erste Verkehrskontrolle für Bland

Auch Blands Hintergrund wurde von den Medien aufgegriffen. Die 28-Jährige aus Chicago war in Texas, um einen Job an der Prairie View A&M University zu beginnen, dort hatte sie selbst studiert. Sie hatte sich in den vergangenen Monaten gegen Polizeigewalt in den USA engagiert.

Bland selbst ist einem Bericht des Nachrichtensenders NBC zufolge bereits zehnmal bei der Polizei auffällig geworden, auf der Liste (am Ende dieses Artikels) befinden sich zahlreiche Verkehrskontrollen. Sie schuldete dem Staat deshalb noch Geldbußen in Höhe von 7579 US-Dollar, die sie trotz wiederholter Mahnungen nicht gezahlt hatte.

Genaue Untersuchung der Todesumstände angekündigt

Die Polizei geht davon aus, dass sich Bland in ihrer Zelle erhängt hat. Medien zitieren einen Facebook-Post, in dem sie wenige Wochen zuvor über ihre depressive Stimmung schrieb. Ihre Familie äußert deutliche Zweifel an dieser Version der Geschichte. Als Bland schon inhaftiert war, hätte sie in einem Telefongespräch ausgeglichen bis optimistisch geklungen. Auf ihre neue Stelle an der Universität habe sie sich sehr gefreut.

In der Öffentlichkeit haben die ungeklärten Umstände von Blands Tod die Debatte um Polizeigewalt, die sich vor allem gegen Schwarze richtet, neu entfacht. Die Skepsis gegenüber den Angaben der Polizei hat nach den zahlreichen anderen Fällen von Polizeigewalt deutlich zugenommen. Freddie Gray, Eric Garner, Michael Brown, Walter Scott - die Liste derjenigen Afroamerikaner, bei deren Tod das Verhalten von Polizisten zumindest eine Rolle spielte, wird immer länger. Die Staatsanwaltschaft hat im Fall Sandra Bland deshalb bereits angekündigt, die Untersuchung werde so intensiv geführt, "als wäre sie eine Mordermittlung".

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