VMAs:Britney macht den Schaufler

2016 MTV Video Music Awards - SHOW

Britney Spears (unten, verdeckt) und G-Eazy bei den VMAS.

(Foto: AFP)

Britney Spears liefert bei den Video Music Awards einen soliden Auftritt ab. Das Problem: Es ist nicht mehr 1999. Wie schlecht die Sängerin in die Gegenwart passt, zeigt eine einzelne Geste.

Von Tanja Mokosch

Man könnte sagen, dass die Ausgangslage von Anfang an schwierig war. Wer vergleicht sich schon gerne mit den amtierenden Königinnen amerikanischer Popmusik? Beyoncé war bei den VMAs für elf Awards nominiert - und räumte acht davon ab. Rihanna sollte die Show eröffnen und schließen - und wurde mit dem "Video Vanguard Award" für besonders einflussreiche Musiker ausgezeichnet. Was macht man da als Britney Spears beim ersten VMA-Auftritt seit neun Jahren?

Tatsächlich hat Britney reichlich VMA-Erfahrung. Hauptsächlich gute, auch wenn wie immer die schlechten Erinnerungen besser hängenbleiben. Zum Beweis eine kurze Chronologie grandioser Britney-Auftritte:

  • 1999 kommt Britney mit N'Sync auf die Bühne. Sie sitzen zusammen in einem Klassenzimmer. Justin und Co. sind, als Britney mit "Baby One More Time" loslegt gerade mal bessere Backroundtänzer.
  • 2000 legt sie einen Striptease hin. Unter einem schwarzen Anzug kommt ein hautfarbener Glitzer-BH zum Vorschein. Eine solide Performance, für damals geradezu spektakulär.
  • 2001 schwebt sie im Käfig mit einem weißen Tiger auf die Bühne und legt sich eine gelbe Schlange um den Hals. Ganz sicher spektakulär.
  • Und dann 2003: Madonna, Christina und Britney performen "Like a Virgin" und küssen sich. Britney und Madonna haben den besten Kuss - und das ist Britneys Zunge zu verdanken, die da ganz kurz zum Vorschein kommt. Eine Sekunde später zeigt die Kamera einen versteinerten Justin Timberlake im Publikum, damals noch bekannt als Britneys Ex. Inszenierung: perfekt.

Beyoncé saß 2003 noch im Publikum und applaudierte fassungslos. Später performte sie selbst Baby Boy und Crazy in Love. Es war ihr erster VMA-Solo-Auftritt nach Destiny's Child - solide, aber nicht legendär. Kein Zungenkuss mit Madonna eben. Von einer Person namens Rihanna hatte zu diesem Zeitpunkt noch niemand etwas gehört. Sie wird erst zwei Jahre später zum ersten Mal bei den Video Music Awards zu Gast sein. 2007 singt sie dort "Umbrella".

Auch Britney ist 2007 wieder dabei. Aber es ist nicht gut. Gar nicht gut. Zum Playback von "Gimme More" wankt sie im schwarzen Glitzerbikini planlos über die Bühne. Die Extensions hängen kerzengerade und strähnig von den wenige Zentimeter langen, echten Haaren. Kurz zuvor hatte sich die Sängerin den Schädel kahlrasiert. Die Kollegen im Publikum lässt dieser Auftritt ratlos zurück.

Jahre nach der Comeback-Katastrophe

Neun Jahre später kehrt sie nun zurück auf die Bühne, die ihr damals die wohl größte Schmach ihrer Karriere zugefügt hat und macht das, was sie schon immer gemacht hat: ein bisschen Playback, ein bisschen tanzen, viel trainierter Bauch, Haarewerfen und Glitzer. Ein solider Auftritt.

Das Problem daran: Es ist nicht mehr 1999 und auch nicht 2007. Beyoncé hat gerade ihr politischstes Album überhaupt rausgebracht und außerdem die Mütter von Michael Brown, Eric Garner, Oscar Grant und Trayvon Martin zur Veranstaltung eingeladen. Die vier Afroamerikaner wurden alle unter umstrittenen Umständen von weißen Polizisten erschossen. Rihanna eröffnete die Show und sang zum Abschluss mit Tränen in den Augen eine Bigband in Grund und Boden - kein Playback, kein Glitzer.

Britney stapft derweil wie immer in hohen Schuhen und mit plumpem aber irgendwie sexy Entengang auf die Bühne. Zwei Minuten dauert es bis zur verstörendsten Bewegung des Auftritts, die vielleicht vor vielen Jahren einem vermeintlich jungfräulichen Schulmädchen einen Hauch Obszönität verleihen sollte: der Schaufler. Britney Spears greift einem Mann von hinten durch die Beine. Ihre Hand fährt dann vom Bauchnabel abwärts bis in den Schritt - und es entsteht kein bisschen Spannung, Erotik oder was auch immer da entstehen sollte. Was macht die Frau im gelben Glitzerbadeanzug da? Niemand im Saal kann annehmen, dass der Cry-Baby-Verschnitt names G-Eazy auch nur einen Hauch von Interesse an diesem hampelnden Schatten eines ehemaligen Teenie-Stars hat. Den Schaufler beachtet er einfach nicht und auch sonst keine der Spearschen Tanz-Avancen.

Wie die Mama in sexy Unterwäsche

Wie Justin Timberlake wohl in diesem Moment geguckt hat? Wenn er noch einen Hauch von Sympathie für seine Jugendliebe empfindet, dann vermutlich genauso versteinert wie vor 13 Jahren, als seine Ex Madonna küsste. Weil er seine Ungläubigkeit zu verbergen weiß.

Moderator James Corden fragte die 34-Jährige vergangene Woche in seiner Talkshow (das Video vom Carpool Karaoke gibt's hier), ob ihre Söhne (neun und zehn Jahre alt) ihre Shows in Las Vegas gesehen hätten. Ja, sagt Britney. Und wie finden sie das, wenn ihre Mutter sich da in knappen, sexy Outfits rekelt und stöhnt? Sie würden wissen, dass das nur für die Show sei, antwortet die Sängerin. Corden erzählt dann, wie er seine Mutter mal in Unterwäsche gesehen hat - ein Bild, das ihn nie wieder losgelassen habe.

So ein Bild gibt es jetzt auch von Britney Spears - für all diejenigen, die damals das Poster von ihr im bauchfreien Top im Zimmer hängen hatten: den Schaufler. Er ist verstörend, man wird ihn nicht mehr los. Er gehört da einfach nicht hin, ins Jahr 2016.

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